Überlegungen zum Alt werden

Humboldt beschreibt den Tod nicht „als das Verlöschen und die Sekunden des Übergangs“, sondern als „das lange Nachlassen davor, jene sich über Jahre dehnende Erschlaffung […], in der er [der Mensch], ist auch seine Größe lange dahin, noch vorgeben kann, es gäbe ihn.“

Das gefühlte, psychische Alter ist weitaus jünger als das dem Kalender nach. Wehe es sagt jetzt jemand: du bist ja auch noch jünger als 80. Es hilft auch nicht der Einwand, dass ich dieses Alter erst nächsten Monat erreiche. Macht den Kohl auch nicht fett. Oder so.

Carolas Mutter ist 85 und putzmunter. Als ich ihr gestand, ich sei fast 80 hatte ich Glück, dass sie mich nicht als jungen Spund bezeichnete. Sie nimmt M, die 8 Jahre jünger ist als sie, und noch jünger aussieht und definitiv sportlicher ist, am Arm und geleitet sie die Treppe hinab. Vorsicht Mamasita, sagt sie zu M, da kommt eine Stufe.

Ich werde meine gute Idee aus meiner Jugend fortführen. Tante Lydia war schon über 30 und noch nicht verheiratet. Ich mochte sie sehr. Tante Lydia, ich heirate dich. Aber Reinhold, sagte sie, du bist doch erst zehn und ich viel älter. Macht nichts, Tante Lydia, du setzt einfach Geburtstage aus, ich hole auf und dann können wir heiraten.

Ich setz jetzt auch Geburtstage aus.

(Kommentar M „wenn du meinst es hilft,, mach ich mit“)

10 Antworten auf „Überlegungen zum Alt werden

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  1. Das Alt werden ist eine Etappe des Lebens und wie alle vorherigen auch eine Vorbereitung auf die nächste, wobei die zunehmende Verminderung unserer Fähigkeiten ein Hinweis ist, das diese , der Tot , näher rückt. Auf keine anderen Phasen sind wir so schlecht vorbereitet wie auf Alter und und Tot. In unserer rationalen, materiellen Welt haben wir das Thema verdrängt. Humboldt als Naturwissenschaftler, hatte offensichtlich wenig Zugang zu den Kulturen die er besucht hat., denn die hatten alle eine tiefe Mystik darüber.

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    1. Nun, ich glaube, in der Beschreibung des Todes als langsames Nachlassen der Kräfte ist mehr Mystik, als uns heute lieb ist. Denen fielen früher meist alle Zähne aus, Kräfte ließen früh nach und es gab keine Mittelchen und Übungen, um Altern aufzuhalten, wie das bei uns heute üblich ist. Auf was für eine Mystik beziehst du dich? Bei der Einweihung des großen Aztekentempels sind mindestens 20 000 Menschen wie die Schafe in langen Kolonnen zur Schlachtbank getrottet. Da hat man ihnen das Herz herausgerissen, den Kopf abgeschlagen und die Stufen hinabgerollt. Ich weiß nicht…. Mystik klingt so schön. Wenn sie mir hilft, meinem absehbaren Ende gefasst ins Auge zu schauen, her damit.

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      1. Ja richtig und bei den Mayas wurde die Mannschaft die bei ihren Ballspielen verlor massakriert. Bei uns im Christentum muss man bis zur Auferstehung warten. Und das kann ja noch ewig dauern. Wo bleiben wir denn eigentlich in der Zwischenzeit- mit der Aussicht am Ende dann doch noch in der Hölle zu landen. Gruselig in jedem fall.

        Mein Bezug waren eigentlich die Schamanen, die schon viel vom Leben und dem Tod wussten und große Mystiker waren .

        Von Mystic reden wir immer dann, wenn wir nicht genau wissen was Sache ist. Das motiviert, wenn man keinen Gott hat, irgendwo anderswo nach Antworten zu suchen oder gar um Gewissheiten zu erhalten. Bei der Suche waren und sind einige schon seit Jahrtausenden – und sie haben Antworten gefunden.

        Und hier kommt das Problem

        Diese Themen sind Rationalisten, Materialisten, Logikern und der Wissenschaft nicht zugänglich mit deren Schluss, das dann da auch nichts zu finden ist. Das ist ähnlich wie beim Thema ob es denn Bewusstsein gibt oder nicht. Wenn man den Schädel auf macht und ins Gehirn schaut ist da nichts davon zu finden. Und doch sind die meisten Menschen überzeugt ein Bewusstsein zu haben.  Es erfordert eine anderen ontologischen Zugang, ein anderes Denken. Falle zu. Denn was ich nicht denken kann, kann ich auch nicht tun (s.o.) – es sei denn ich finde neue Wege der Erkenntnisse. Eben: die mystische Erfahrung des Seins. Und darum geht’s. Eine Erfahrung, von ich mit mir, die den Grund meines Seins verändert. Der Weg dazu ist Meditation und Reflektion bei der wir die übernommenen und angelernten (Vor)Urteile wieder los werden und damit frei – frei von uns selbst. Es gibt gar keine andere Freiheit. Kannst ja mal versuchen eine Zeitlang nicht zu urteilen. Es wird dir nicht gelingen. Oder versuche mal ein halbe Minute nicht zu denken. Es wird dir nicht gelingen. Wer ist also Herr im Haus ? Ein Ich das mit dir den Molly macht, gefangen in Bildern und Vorstellungen von dir und der Welt, erfunden und verfestigt in vielen Erzählungen.

        Ich will dir weder Mystik noch Meditation verkaufen. Im Grund erzähle ich hier von mir selber, von meinen Erkenntnissen und Erfahrungen. Wenn du damit etwas anfangen kannst , prima, wenn nicht auch ok . Ich habe keine Mission und mache mir nur die Mühe , um mit einem alten Freund ein Erfahrung zu teilen.

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        1. Lieber Werner,
          Danke für deinen ausführlichen Kommentar. Ich stimme dir zu: unserer rationalen Welt ist die Dimension der Mystik weitgehend abhanden gekommen. Wir denken rational und Leben wird mit Konsum und Erfolg gleichgesetzt. In den monotheistischen Religionen gab und gibt es Ansätze die man glauben muss und wer feste daran glaubt hat auch eine andere Einstellung zum Leben und zum Tod. Ich kenne solche Menschen und beneide sie ein wenig weil ich diesen Glauben nicht kann. Doch die meisten so genannten Christen, Muslime u.a. Monotheisten gehen in ihre Gotteshäuser aus Tradition und weil sie sich dort wohl fühlen. Nix gegen Wohlfühlen, aber diese Teilnahmen haben wenig mit ihrem Leben zu tun. Das ist ja auch der Grund, weshalb viele Menschen sich den asiatischen Religionen zuwenden.
          Ob wir die mystischen Erfahrungen des Buddhismus als westlich geprägte jemals erreichen können, daran zweifele nicht nur ich. Dazu gehört nicht nur Meditation und Reflexion. Dazu gehört ein strenges Leben im Kloster, einzig darauf ausgerichtet, alles Leiden abzulegen und nur noch zu sein. Was immer das ist.
          Freilich hast du Recht, mein Gehirn führt ein Eigenleben, nicht ich bin der Herr in meinem Haus. Mein Traum ist es schon, ein wenig Ruhe in dieses Chaos zu bringen. Mir haben bisher die von dir genannten Hilfsmittel keine Linderung gebracht (ich meditiere seit über 20 Jahren und Autogenes Training ist mein Begleiter, wenn die Unruhen zu stark werden: also täglich.)
          Soweit für heute. Und Grüße nach Kolumbien

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          1. Ich glaube schon, dass es eine differenzierte Betrachtung braucht, wenn wir von fremden Kulturtechniken sprechen. Nur wenige Asiaten gehen heute ins Kloster um zu meditieren und wenn überhaupt sind das nur die aufgeklärten Eliten, Die Mehrheit lebt unser Neoliberales Modell , modifiziert nach jeweiligen Ideologien. In dem Sinne hat unser westliches Modell leider „gewonnen“. Konfuzius‘ sagt zynisch, wenn die Vernunft versagt und Einsicht nicht wächst, „auf das ihr interessante Zeiten haben werdet“ .

            Das wir Erleuchtung erfahren oder suchen kann nur der Weg für einige Wenige sein, einschließlich der Asiaten. Trotzdem kann die Meditation und die dahinter stehende Denkschule unser Leben bereichern, obwohl viele der so genannten Mystiker ebenfalls ein selektive Kosmovision haben indem sie alles was nicht mystisch ist als unwichtig abtun. Das habe ich so erfahren während meines Aufenthaltes in Asien.

            Gerade bricht unser gesamtes Weltbild der Makro- und Mikrophysik zusammen und alle Gewissheiten des Seins sind damit in Frage gestellt – vergleichbar mit den veränderten Interpretation des Seins nach den Erkenntnissen des Kopernikus, nach denen man , als eine Folge, für 200 Jahre am Kölner Dom nicht weiter baute weil Gott und der Himmel in Frage gestellt waren und die Kathedralen als Abbild des Himmels auf Erden ihren Sinn verloren.

            Nun, jeder der durch Meditationen schon viele (Selbst)-Gewissheiten los geworden ist und damit Raum für Neues geschaffen hat, hat heute einen Startvorteil.

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          2. Meine Antwort bezog sich auf meine beschränkte und begrenzte Erfahrung mit der Meditation. Trotzdem mache ich weiter. Einfach die täglichen 30 Min genießend. Da ist dann mehr Ruhe. Wer weiß wie ich wäre, würde ich das nicht tun. Bei dir hab ich den Eindruck, dass du in dir lebst. Dass du das hast, was du beschreibst.
            Was meinst du damit, dass unser gesamtes Weltbild der Mikro- und Makro Physik zusammenbricht? Hab ich da was nicht mit gekriegt?

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          3. Die Konsequenz nach Kopernikus war die Verdrängung des Menschen aus dem Mittelpunkt der Welt. Es folgte die Aufklärung mit allen ihren Segnungen aber mit der selektiven Interpretation nach Newton, einer materialistische Welt und sonst Garnichts. Noch bis in die 70er 80er Jahre hat man geglaubt es wäre nur eine Frage der Zeit bis die Wissenschaft aller Fragen beantworten kann. Die Konsequenzen erleben wir gerade. Wir müssen woanders suchen, unser Weltbild ergänzen und uns, und uns in der Welt neu interpretieren. Darum geht es und die Physik schafft gerade die Grundlagen dazu mit dem Teleskop Web, das nachweist, das die Urknalltheorie falsch ist und das Universum vielleicht gar kein Anfang und Ende hat und in der Mikrophysik zeigt die Quantenmechanik wie die Phänomene sich verändern wenn jemand hinschaut, Und niemand versteht nix, genau wie bei Kopernikus geraten alle Gewissheiten des Seins ins Wanken.

            Parentisis: Noch heute leiden wir unter dem reduzierten Weltbild, das die Briten aus merkantilen Interessen der damaligen Eliten in die Welt gesetzt haben und das die Amerikaner in aller Welt durchsetzen und dafür die Welt mit Krieg überziehen, wenn das jemand in Frage stellt. Für sie gab es keine Metaphysik und bei denen , die das Sagen haben , immer noch nicht

            Das es sie gibt hat Kant aber schon in der „Kritik der reinen Vernunft“ nachgewiesen. Er hat sie im denkenden Menschen gefunden und nicht bei Gott und in der Natur und lenkt den Blick in den Kosmos unseres Geistes. Die Welt erkennen heißt bei ihm Erkenne dich Selbst, wie auf dem Tempel von Delphi eingemeißelt. Die Welt ist unsere Vorstellung sagt er und die Buddhisten sagen , die Welt ist unsere Interpretation . Soll heißen die Welt an sich gibt es gar nicht. Das habe ich auch so erfahren .Wenn dem so ist, ist die notwendige persönliche Konsequenz alle Gewissheiten los zu werden, um dann mit allem was ich heute bin und verstehe (mit freiem Geist ,ohne Vorurteile) auf mich und das Universum zu blicken . Das ist der Weg des Lernens und ich glaube dafür sind wie hier. Wenn das nicht gleich zur Erleuchtung führt haben wir ja vielleicht noch ein paar Aufgaben vor uns. Also auf geht’s! (Smily)

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          4. Sei gegrüßt, Werner!
            Das ist ja ein Rundumschlag von Erkenntnissen, ich hab’s jetzt mehrfach gelesen und glaube, ich verstehe langsam, auf was du hinaus willst: die Welt und wie ich sie erfasse, besteht nicht nur aus Daten und die Metaphysik wurde vergessen. Richtig? Und dass wir hier sind um zu lernen, dass die Welt an sich in mir selbst gemacht wird. Richtig? Und dass ich mit „freiem Geist, ohne Vorurteile auf das Universum„ blicken soll. Sich selbst erkennen sei der Weg. Schreibst du. Und dahinter vermute ich, dass ich die Metaphysik erkennen soll.
            Gefallen hat mir, wie du die krude „american way of life“ Philosophie darstellst. Da stimme ich dir voll zu. Und das darin ja wohl nicht das allumfassende Mensch sein liegen kann. Im Gegenteil. Wäre besser, wenn die Amis in ihrem eigenen Saft schmoren, aber nein. Nur ist dieses Konsum Modell dermaßen erfolgreich, der halbe Kontinent Lateinamerika und ein Teil Afrikas träumt davon und macht sich auf die Socken. Asien ist, hast du geschrieben, eh angesteckt. Da stimme ich dir zu. Nur, was mache ich, wenn in der eigenen Latino Familie davon geträumt wird? Ihnen sagen, es bräuchte mehr als Materialismus um glücklich zu werden?
            Und ich, ich bin Epikuräer, mir geht das Problem, ob der Raum gekrümmt ist oder nicht, ob die Urknall Theorie stimmt oder nicht ziemlich, nun ja, sie gibt mir nix für mein Leben.
            Wir treffen wieder aufeinander wenn es darum geht, im Gehirn aufzuräumen. Es zu konditionieren, nicht dauern im eigenen Saft zu schmoren. Deshalb mache ich all die Übungen. Vielleicht gelingt es mir ja eines Tages. Und dass der materialistische Weg, so, wie er heute extensiv ausgelebt und vor dirigiert wird zum Untergang tendiert, doch gerade die Reichen wollen krampfhaft nicht von ihrem Reichtum lassen, das ist für mich das zentrale Problem der Menschheit. Vielleicht braucht es wirklich mehr Metaphysik.
            Mach’s gut und danke für deine Bemühungen

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          5. ja, unser reduziertes materielles ,rationales und wissenschaftlich begründete Weltbild stößt an seine Grenzen und wir müssen offensichtlich wo anders Antworten suchen, weil das Selben nur das Selbe produziert also mehr Probleme.

            Das fällt uns so schwer, weil wir nicht um uns selbst wissen und auf die Frage warum ich tue was ich tue, warum wir sind wie wir sind keine Antwort haben und noch nicht einmal diese Fragen stellen. Wir wissen nicht um unseren inneren Kosmos , der so groß ist wie der Kosmos selbst, haben keinen Zugang dazu und wissen nicht wo wir suchen sollen. Die Rationalität, unserer Gedanken selbst, stehen uns im Wege. Wie das?

            Wir machen eine Sinneserfahrung- die verursacht eine Emotion-dann einen Gedanken und in der Folge eine Handlung. Scheint eine logisch Kausalkette, ist aber falsch. Die Emotionen sind Herr im Haus und der Gedanke Ausdruck dieser Emotion – der Gedanke ist Form, die Emotion Sein. Das ist notwendiger Weise so, weil wir nicht tun können was wir nicht denken/sagen können. Also: Es ist nichts im Verstand was nicht vorher in den Sinnen war (Leibnitz, Kant) , das Tier das sprechen kann (Nietzsche)

            Wenn wir also uns selbst erkennen wollen, geht das nicht mit heftigen Nachdenken, weil das Denken ja schon ein Produkt ist. Es braucht die Meditation, aus der Bewusstsein um uns selbst entsteht, ein Bewusstsein das selbst keine Worte braucht, denn wenn wir darüber reden sind wir bei der Rationalität und nicht beim Bewusstsein.

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          6. Gute Antwort. Wir reden (hier) nicht mehr weiter und ich mach weiter mit Meditation und so. Vielleicht kommts ja irgendwann.
            Ps: falls noch was Wichtiges ist, sollten wir persönlich per Mail weiter diskutieren. Nochmals danke für deine ausführlichen Gedankengänge.

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