Camino Portugues (6.9.-21.9.2017)

Ich hab Muffensausen vor meinem Abenteuer, den Portugiesischen Jakobsweg zu laufen.

Mittwoch 6.9.17

Porto, Hotel Paulista.

Porto verwinkelt, hügelig und ewig alt. Überall Kirchen, Denkmäler und Kaffees. Das kleine Portugal war mal Weltmacht. Das sieht man an seinen Bauwerken. Die zerfallen. Passt auch.

7.9.17

Porto. Mit der alten Tram am Ufer des Duoro entlang zum Atlantik. Ab hier laufen. Immer das Meer links gen Norden. Ein drahtige alter Herr und eine junge Dame mit kräftigen Beinen überholen mich auf der Brücke über den Hafen mit doppelter Geschwindigkeit. Elektromotoren? Nur beim ersten Mal hat es mich gewundert. Dann musste ich einsehen, dass ich langsam bin (es wurmt mich). Kämpfe vorn über gebeugt gegen den Wind. Muss mindestens stärke 4 sein! Der Hut flog mir vom Kopfe, ich fürchtete mich nicht. Hinter Matosinhos auf der Chausee, da taten mir die Beine weh. Doch ich verzichtete NICHT weise, auf den letzten Teil der Reise.

Mittagspause im Restaurant am Cabo do Mundo. Sardinas a la brasa. Gedenkstätten am Wegesrand. Eine Gruppe Frauen streckt verzweifelt die Arme zum Meer. 1947 hat ein Meerbeben alle Fischerkähne die draußen waren vernichtet. Mehr als 140 Männer. Weiter am Kap: 1913 strandete ein englischer Dampfer mit 220 Passagieren nach Südamerika. In einer dramatischen Rettungsaktion konnten 190 gerettet werden. Die frisch gegrillten Sardinen waren gut aber keine gute Idee. Jetzt hab ich Durst. Keine Müdigkeit vortäuschen, weiter geht’s. Später Nachmittag: 20 km reichen. Voll! Kleine Hütte auf dem Camping in Angeiras. Meine Maschine ist noch nicht eingelaufen. Fühl mich wie einer dieser ruckelnden Menschenroboter, dem ein paar Teile ausgetauscht werden müssten. Wie’s geht? Es geht.

Freitag, den 8.9.2017

Nachtrag: den ganzen Weg von Porto rauf Strandkultur wie in Rio. Nur die Bikinis sind keine Fio Dental (Zahnseide). Menschen: dem Pärchen war ich unterwegs begegnet. Sie setzen sich an meinen Tisch und kamen von der Mosel. Im Frühling waren sie den Französischen Weg gepilgert, zum Training den nach Trier und weil es so schön war, jetzt den Portugiesischen. Er ist Rettungssanitäter (ein Lehrberuf!) und sie Krankenschwester. Das gemeinsame Abendessen war angenehm. Gaby überholte ich auf den letzten Kilometern. Wir gingen zusammen zum Zeltplatz, ihr langsamer Gang tat mir gut (die letzten Kilometer, hab ich erfahren, tun immer weh,- egal wie weit man gelaufen ist). Die Hütte aus Sperrholz war durchlässig wie ein Zelt. Nachts empfindlich kalt. Den Holländer traf ich unterwegs. Er wollte noch 15 Km weiter, da konnte ich gerade noch die letzten Meter. Dies war sein 3. Jakobsweg. Und dann sprang er davon mit seinen blanken Waden. Heute Morgen kalt. Wind weg. Nebel über dem Meer. Die Sonne kommt raus. 9:00 Uhr. Unterwegs nach Vila do Conte. Der Nerv fängt an zu nerven. Santiago, sagt der alte Mann, ist noch weit! Ruh Dich oft aus, das ist besser für die Beine.

Den eigenen Rhythmus finden, auch wenn sie mich überholen und genügsam sein. Das ist zu lernen. Vila Cha, ein schönes Fischerdörfer,, Strände, Dünen, Holzstege. Kreuz ich nun von Vila do Conde aus ins Landesinnere auf den zentralen Weg oder bleib ich auf dem Küstenweg – das sind Entscheidungen!

Die Karawanken, sie wanken und sie schwanken. Ich auch. Irgendwas ist mit der Aufhängung meiner Beine nicht in Ordnung. Bleibe auf dem Küstenweg. Auf dem Zentralweg, sagen die Experten, kriegt man das richtige Pilgerfeeling mit 30 anderen im gemeinsamen Schlafsaal der Herbergen. Bin lieber mit meinem Pilgerfeeling allein.

Der Ratschlag war, Povoa de Varzim zu umfahren (Povoa is one of Portugals most popular seaside resorts). Doch den Bus, der da angegeben war, gibt es nicht. Und der Bus, den das Informationszentrum nannte, kam nicht. Da wurds mir zu bunt und ich nahm ein Taxi. Über Fa~o (die Tilde gehört übers a), Esposende nach Marinhas gelaufen. Und dann war sie voll, die Herberge. Und es war 1/2 7:00. Sie haben mich weiter gereicht, in ein Hotel im Landesinnere. Keinem Schritt könnte ich mehr. Heute ist mein Taxitag. Hauptsache ein Bett und nach dem Duschen wurd alles besser. Jetzt ist es 8:00, Wäsche waschen, fein machen, essen gehen. Das freut mich!!!

Schlanke, elegante Portugiesen Hand in Hand mit ihren Frauen, junge Portugiesinnen, braun gebrannt, schwarzhaarig flanieren hüftschwingend vorbei, andere füllen Kaffees und Parkbänke und reden, reden, reden. Auch die korpulenten neigen zu sexy Kleidern. Esposende. Der Bus kommt (das Hotel ist weit im inneren). Auf der anderen Seite sitzen die älteren Herrschaften im Kaffee. Eine Der Damen schreit Hey und der Fahrer wartet brav, bis sie die Straße überquerten und einstiegen. Der Wind ist wieder aufgefrischt. Das freut die Surfer an ihren halbrunden Segeln, sie steigen weit auf. Morgen, sagt der Taxifahrer, soll es regnen und kalt werden.

Sonntag, den 10. September 2017, Viana do Castelo nach Ancora.

Gestern Abend Bacalhau in Knoblauchsoße-köstlich! Nur der Wein war zu gut und tut mir nicht gut. Es muss auch mal gelitten werden. Wer nicht gut läuft soll wenigstens gut essen. Das einpacken morgens dauert. Alles muss in Plastik eingewickelt werden wegen wenn’s mal regnet oder der Ordnung halber. Von allem zwei, hat man mir gesagt. Zwei paar Strümpfe, zwei Unterhosen, zwei Hemden, zwei Hosen. Gebrauchtes wird abends gewaschen und wenn es nicht trocken ist am nächsten Morgen mit Sicherheitsnadeln an den Rucksack geklemmt. Der Weg führt durch kleine Gassen mit Bruchsteinen gepflastert, in der Ferne hört man das Meer rauschen. Heute zwickt die Schulter. Besser als die Hüfte. Mit Tabletten geht es. Die Treppe herauf kreucht eine ältere Dame begleitet von ihrer Katze die ein Glöckchen um den Hals hat. Ich sitze auf der Treppe, das Kätzchen kuschelt sich an mich. Sagt die Frau, ach was für ein Kuschetier. Viana (do Castelo) kann ich mir gut merken. Hat schon Moser gesungen: Die Viana braucht ma garnicht erst in Stimmung bringen. Der Drang unbedingt den nächsten Ort und das Ziel zu erreichen, lässt nach. Wenn ich Lust habe, trödel ich herum. Geruch nach Piniennadeln, Eukalyptus, Heu. Der Weg nun eine Straße am Berghang entlang. Doch nach 1 km zweigt der Pfad ab in ein klitzekleines Gässchen. Ein Pärchen, quadratisch, kurz, dynamisch, er mit nacktem Oberkörper, eilen schnellen Schrittes den Berg hinan. Was für eine Power. Kann mir vorstellen, dass die zu denen gehören, die am Tag 40 Km gehen. Unbegreiflich für mich. Mir wurde glaubhaft versichert, dass es sie gibt. Ich habe gelernt. Frühstück auf Portugiesisch (Brötchen mit Butter und starkem Kaffee) in Viana, Wasser mitgenommen, Mittags Salat mit Brot in Carreco (wo ist das verdammte c mit Schwänzchen?) und jetzt noch mal 10 Km weiter.

Sonntag Mittag. Stille auf dem Camino. Von Ferne rauscht das Meer. Die Männer sitzen im Café, vereinzelt Frauen auf Nachbarschaftsbesuch. Sonst nichts. Eine Katze schreitet gravitätisch über die Mauer, in der Ferne kräht ein Hahn, ein Vogel singt im Gebüsch und die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Wieder so ein zauberhafter Wald. Es riecht nach Griechenland. Ich bin allein. Ein Dutzend Pilger sind seit heute Morgen an mir vorbei. Jetzt kommt keiner mehr. Ich bin das Ende der Schlange. Lass fahren dahin…(war Luther auch auf dem Camino?) Vom Wegesrand geglaubter Apfel schmeckt leicht säuerlich und stillt den Durst. Ein kleiner Bach gluckert die Felsen hinunter. Die Strecke schlaucht mich. Es geht abwechselnd auf – und ab. Zum Glück viel durch schattige Wälder. Kleine Orte werden am Rand umgangen. Der Weg ist abwechslungsreich. Sie ist da im Eukalyptuswald auf Olga lieb zu splitten (diktiert hatte ich: Siesta im Eukalyptuswald auf Eukalyptusblättern liegend).

Auch typisch für den Camino: durch die Orte begleiten einen die Bellkonzerte wütender Hunde. Hoffentlich kommt nicht einer mal frei. Und dann lag Ancora unter mir und dann ging es nur noch Berg hinab und dann konntest du einen springen sehen. Das war ich, die Gemse. Es zog sich doch noch

Montag, den 11.9.2017 Ancora Playa – Caminha

Ich liebe es, abends gut zu essen. Tagsüber träume ich von Abends essen gehen. Gestern gab es eine Suppe (Möhren, ging so, die von M ist besser), als Vorspeise Gambas al ajillo und als Hauptgericht gegrillte Lula. Die Arme des Tintenfisches waren fade, aber die Gambas waren Spitze. VinO do Porto zur Suppe und spritzigen Weißwein danach.

Sonntag: ein Fest zu Ehren einer Heiligen, die den Fischern gut getan hat. Wie sie das gemacht hat weiß ich nicht. Jetzt knallen die Feuerwerke ganz schön. Und heute Nachmittag gab es einen Umzug mit Goldenen Statuen, schwankend auf den Rücken gebeugter Träger und ein Priester hat salbungsvoll geredet. Die ganze Straße ist voller Stände (all der weltweit bekannte billig-Kram aus Asien) und die halbe Stadt mit Kind und Kegel flaniert am Kai herum.

Ich bin in einer Albergeria gelandet, doch diese ist ein Hotel und preislich höher. Jetzt habe ich einen großen Fernseher und höre Liszt von einer schönen Dame gespielt. Genügsamkeit: am Flughafen hatten Sie mir die Dose Rasierschaum abgenommen (hätte ich eigentlich wissen müssen). Wäre sowieso zu schwer geworden. Jetzt rasiere ich mich mit der Seife im Hotel und siehe da es geht. Und die kleine Flasche mit Spezial-Shampoo gegen Schuppen ist ausgelaufen (Sauerei in der Plastiktüte) und auch die Haare vertragen Seife prima. Empfindlichkeit: die Füße brauchen besondere Aufmerksamkeit. Abends werden sie kalt und warm geduscht, nach Druckstellen abgesucht, eingecremt und morgens müssen die Stellen die wund sind, mit Tape abgedeckt und die Füße mit Hirschbalsam sorgsam eingeschmiert werden. Und überall, wo’s zwickt und zwackt, kommt Diclo drauf. Soll gegen Verspannung und schmerzende Muskeln helfen. Ich brauch viel.

Heute beim Aufstehen regnerisch und trüb, das Meer voller Nebel. Die alten Männer schleppen sich ins Café, werden laut begrüßt von ihren Kumpels und bekommen zum Frühstück ein Gläschen Portwein und süße Kugeln. Dahinten über dem Meer wird es blau. Es riecht nach Fisch, Tango (dummes Diktierprogramm: nach Tang!), Und Meer. Wenn nach der Stadt die gelben Pfeile mit dem Muschelzeichen wieder auftauchen, hüpft das Herz vor Freude. Vor mir eine Gruppe Wanderer mit wenig Gepäck. Sind die nun auf dem Camino oder machen die Sport? Heute will ich erst mal nach Caminha. Und dann entscheiden, mit der Fähre nach Spanien über zu setzen oder in Portugal weiter hoch zu laufen Richtung nach Tui. Im Frühtau zu Berge wir gehen fallera … – Naja es ist ein bisschen später geworden. Aber jetzt kommt die Sonne raus und vertreibt den Nebel. Herrlich. Wir wandern ohne Sorgen singend in den Morgen – ich singst zwar nicht, aber es geht mir nicht aus dem Kopf. Drüben auf der anderen Seite des Flusses liegt Spanien. Portugal wie Spanien waren einst die führenden Weltmächte. Von hier aus segelten die großen Entdecker los. Vasco da Gama, Americo Vespuchi – der dem neuen Kontinent seinen Namen gab – und auch Columbus hat zuerst bei den portugiesischen König sein Glück versucht. Dessen Wissenschaftler aber trauten den Berechnungen des Abenteurers nicht. Sie hatten Recht – und Columbus entdeckt einen neuen Kontinent. Unglaubliche Reichtümer flossen in die Entdeckerländer, die sich den halben Globus teilten. Man kann die Pracht heute noch in den Kirchen und Palästen von Porto und Lissabon (und in Spanien) bewundern. In beiden Ländern gab die herrschende Schicht endlos scheinende Vermögen für Luxusgüter aus. Gold, Silber, geraubte Dukaten flossen zumeist nach England und finanzierten dort (etwas später auch in Deutschland) die beginnende Industrialisierung.

Offenbar schmieren sich meine Gelenke ein. Der Nerv klemmt ab und an, so als wollte er sagen: ich bin auch noch da. Keine Sorge, ich vergesse dich nicht. Eine halbe Stunde später: Ich hätte es ihm nicht sagen sollen, dem Nerv. Jetzt rächt er sich. Laufe durch eine Wohngegend, Herr liche essen Stifte (die Diktatversion raubt mir den Nerv. „Herrliche Essensdüfte“ hatte ich diktiert). Hab Hunger. Die Ferry nach Spanien fährt Montags nicht. Bin auf einmal schrecklich müde. Nach 10 Km! Egal, bleibe im Galo de Ouro. Liegt schön am zentralen Platz.

Dienstag, den 12.9. Caminha -Valenca

Die Herberge Gallo d’ Oro (Goldhahn) ist in einem alten Gebäude mit knarzenden Dielen und verwinkelten, steilen Treppen und Fenstern die hochgezogen werden müssen wie in Wildwestfilmen. Meines stand unten eine Handbreit auf, ich hab verzweifelt die Verriegelung an den Laufschienen gesucht, und musste feststellen, dass die Lösung einfacher war: Einfach ein Klotz unterm Fenster. Der Kellner kam zurück und fragte, ob das Sandwich auch aus (unverständlich)-Brot sein könnte. Brot war mir egal, hatte Hunger. Doch dann kamen zwei Scheiben fingerdicken bröckeligen Weißbrots. Zusammen mit Butter, Schinken und Käse ergab das eine klebrige Masse, die nur mit viel Flüssigkeit zu bewältigen war. Lerne: wenn du was nicht verstehst, nicke nicht. Der alte Kellner im Café hat mindestens mein Alter. Er arbeitet von morgens früh bis spät Abends. Satte Leistung. Heute Morgen das Brötchen mit Butter war wieder normal.

Werd ich jetzt ruhiger, contemplativer? Die Bedürfnisse reduzieren sich, ohne Frage. Füße, Gelenke, Nerv, wo lande ich heute Abend, gibt es noch ein billiges Bett (meist nicht). Nachrichten aus D (und überhaupt, Trump schon gar nicht) interessieren immer weniger (aber das war bei unseren Auslandsaufenthalten schon immer so). Die eigene Bedürfniswelt reduziert sich. Das ja. Doch auch darin ist Unruhe vorhanden. Ach doch, werd schon ruhiger, schlicht und einfach weil die vielfältigen Möglichkeiten des Vergnügens nicht mehr interessant sind. Hat sich noch nicht eingestellt, das von vielen gelobte Camino-feeling. Bis jetzt ist es eine tägliche Herausforderung, die jeweils neu gemeistert sein will. Obwohl: ab und an blitzten Erlebnisse auf, die sich festsetzen und weiter schwingen. Abendessen In einem kleinen Restaurant. Gemüsesuppe und Omelett mit Krabben. Meins ohne Krabben ist besser.

Die Strecke, die ich gestern nicht gehen konnte, fahre ich heute mit dem Zug. M sagt, zur Belohnung. Weil ich weiter mache? Aber klar doch! Mit neuen Kräften hurtig voran. Der Camino nach Valenca (nein, nicht Valencia, Valenca mit c und Schweineschwänzchen unten) verlässt in Cerveira den Rio Miño, schlängelt sich auf Nebenstraßen durch kleine Orte den Berghang entlang. Schöne Ausblicke. Auch hier: viele Häuser zum Verkauf.

Des Morgens beim Einlaufen leichter Schwindel. Zu viel Sauerstoff. Gibt sich. Vom Nerv schreib ich nix mehr, sonst rächt er sich wieder. Es nieselt. Nebelwald über mir. Später abwärts durch die Flussaue, Gebüsch, Eukalyptus, Fichten, Eichen, wenig Landwirtschaft, kleine, saubere Orte. Schaue viel, denke viel. Morgens weiß ich, der Tag wird sinnvoll, mit Zeit und schwindender Kraft werden die Gedanken pessimistischer. Ich laufe besser, die angenehme Zeit verlängert sich. Der kleine Zeh am rechten Fuß hat eine Blase. Kräcker, Käse und Kakao zum Mittagessen auf den Stufen eines Denkmals. Valenca (mit c-Schweineschwänzchen) ist ein Fort. Zwei sinds beim genauen Hinschauen. Das waren Festungsanlagen, die schon bei den Römern genutzt, später für und gegen die Mauren eine Rolle spielten (Portugal hat die Reconquista, die Rückeroberung der iberischen Halbinsel von den Mauren begonnen), hauptsächlich aber ab dem 12. Jhd., als Portugal unabhängiges Königreich wurde, die Spanier gegenüber auf der anderen Flussseite davon abhielt, sich das kleine Land wieder einzuverleiben. Versucht haben sie es, die Spanier.

Routine bei der Ankunft. Waschen (mich, Kleider), Füße, Diclo, Rucksack, schreiben. Heute Arbeitsteilung. In der kleinen Dusche unten die Wäsche, drüber ich strampelnd wie beim Weinkeltern. Mit dem Portugiesischen mal so, mal so. Manche freuen sich und reden meist zu schnell. Dann freu ich mich nicht (die junge Dame an der Rezeption sagt, ich habe einen brasilianischen Dialekt. Freut mich, aber flüssig ist das nicht). Das Gegenteil sind die Leute, die nicht glauben wollen, dass ein Ausländer ihre Sprache spricht. Sie versuchen stur, englisch zu reden. Und dann gibt’s noch die, mit denen unterhält man sich eine Weile und plötzlich halten sie erschrocken inne und fragen: verstehst du mich überhaupt. Gut geht’s wie mit dem Mann in der Bar am Eingang zur Stadt. Der sprach langsam und deutlich und mengte auch mal spanisch dazwischen (um vor denen zu warnen, sie seien zu geschäftstüchtig). Ich brauch mehr Praxis.

Mittwoch, den 13. September 2017 Valenca -Tui

Dienstag Abend: ich bin allein und doch nicht allein. Mit mir zusammen sind wir schon zu zweit. Alle, die den Camino kennen sagen, man muss in den Pilgerherbergen übernachten. Mit anderen Pilgern zusammen. Doch ich habe abends nicht die Kraft, will nur noch ruhen.

Drüben ist Spanien Zum 1. Mal Pilgermenü gegessen. Suppe, Hauptgericht, Nachspeise, Kaffee, 1Getränk. 10 €. Regulär das Essen, die Nachspeise exzellent. Ober effektiv, an der Grenze zum Unhöflichen. Geh ich nicht mehr hin (hahaha, wann denn). Gehe zu Bett, in Spanien ist es 1Std früher, wir müssen alle 1Std früher aufstehen. Mittwoch: Die Ruhe ist dem Menschen heilig, nur verrückte haben’s eilig. Spontaner Beschluss = bleibe noch 1 Tag. Gelesen, dass Tui wie Valenca einen Ruhetag wert seien. Die Hälfte des Weges hinter mir. Und von Valenca habe ich nur ein Kastell besichtigt, das andere nicht, sehe ich gerade. Hätte ich das gestern gewusst, hätte ich ausschlafen können (um 7:00 klingelte der Wecker derweil es bis zur nächsten Herberge 22km sind).

M angerufen, es geht ihr gut, sie entdeckt mit der lieben Tati zusammen Lissabon. Am 21. treffen wir uns wieder in Porto. Da freut sich einer! Beide Orte seien Perlen voller historischer Bauwerke. Es lohne, Zeit einzuplanen, sagt mein Führer. Scheinen die Touristen auch zu glauben, haufenweise belagern sie die Geschäfte in den engen Gassen der Stadt in den Forts. Pilger jede Menge. Nach Tui gewechselt (spar ich morgen 1Std/4 Km) und siehe da, in einer Pilgerherberge einen Platz gefunden. Klein und fein, doch sie machen erst um 1/2 5:00 auf. Kann meinen Rucksack da lassen und muss auf Siesta verzichten. Die Altstadt um die Kirche herum ist ziemlich altes verwinkeltes Gemäuer, Treppen rauf und Gassen runter. Müde, doch zufrieden. Die Kathedrale hoch oben auf dem Berg, wuchtig, romanisch. Darunter Verteidigungsmauern gen Portugal denn siehe da, hier ist es andersrum als drüben. Sie hatten Angst vor den Portugiesen. Warum tun mir die Füße weh? Auch hier reden sie wie Maschinengewehre. Kann mich gut verständigen solange sie spanisch reden.

Donnerstag, den 14. September 2017 Tui – Poriño – Mos

Eine Woche unterwegs, 111 Km vor mir. Sagt das Passwort in der Herberge: tui111kmsantiago. Mittwoch Abend: Wenn man vorher in einer Bar sich besäuft, braucht man nicht mehr essen gehen. 2 Tio Pepe – 4 Tapas. Restaurant Adega (eine kleine Wirtschaft kurz vor der Kathedrale, Chef bedient und kocht). Tortilla und Pimientas Padron (gegrillte scharfe)+ Rotwein. Espinaca a La Crema als Tapa a La Casa voran zum Reinlegen. Keinerlei Nachwürzen notwendig. Was für ein Genuss gegenüber dem Essen in Portugal. Fühl mich sauwohl. Und nach der Nachspeise und dem Kreuterschnaps bettreif. Noch komischer: freu mich auf die Wanderung morgen. Vermisse M. Bei der Rückkehr in die Herberge saßen noch drei Mädchen in der Küche und redeten. Jetzt, 22:00 Uhr ist Stille im Haus. Diszipliniert, die Peregrinos. Auffallend: mach noch immer alles zu hektisch. Die nächste Sache gleich hinter der augenblicklichen und die übernächste schon im Hinterkopf. Und alles muss schnell geschehen. Das muss ich ändern. Der Weg, mein psychologischen Lernfeld :))

Donnerstag Morgen: auf, auf, auch wenns regnet Ein Italiener holt mich ein. Erzählt, dass er gestern 38 km gegangen sei. Wäre ein bisschen viel gewesen, sagt er und entschwindet. Zwei Asiatinnen wandern dahin und zwitschern pausenlos in ihrer Sprache. Sie sind völlig eingepackt in Regensachen. Mein Nerv nervt. Das linke Bein macht Schwierigkeiten. Die drei jungen Damen, die jetzt an mir vorbeikommen, hatten heute Früh schon in der Herberge bei ihrem Frühstück anregende Gespräche. Jetzt wandern sie immer noch unterhaltsam an mir vorbei. Ich kann so früh wieder frühstücken noch reden. Aber jetzt langsam brauche ich einen Kaffee. Und siehe da, nach dem Wald, da war eins.

Im Wald an der Steinbrücke aus Römerzeit ein Kreuz und Gedenkstätte. Hier ist im 13. Jhd ein Pilger verstorben. Ein Heiliger. Ab Orbelle streiten sich die Kommerz- mit den Caminogeistern. Der alte Weg führt an Geschäften vorbei und weiter über eine heute gut befahrene Landstraße mit Industrieansiedlung. Der neue Weg durch den Wald. Jetzt übermalen die geschäftstüchtigen Leute die neuen Pfeile, damit der Weg wieder bei ihnen vorbei kommt. Es klart auf, die Sonne kommt raus. Jeden Furz lang tauchen die auf Kommastellen genauen Restkilometer nach Santiago auf. Und die wollen nicht und wollen nicht unter die 100er Marke. 3:00 Uhr. Mittagessen auf einer Parkbank Ausfahrt O Porriño. Anchovis, Brötchen, Trinkyoghurt. Eigentlich wollte ich hier bleiben, 17 Km sind genug. Doch dann nochmals die Strecke morgen angeschaut, die geht über einen Berg und da muss ich Zeit einplanen. Also auf nach Moss, 6 Km nur. Die beiden Asiatinnen sind zäh. Sie gehen langsam und stetig. Wenn wir uns begegnen, lachen sie und sagen im Chor: bom camino. Jetzt zwitschern sie nicht mehr. Auch mir sind die Lieder vergangen. Keiner hat gesagt, das es sich nach Mos über Hügeln zieht. MOS soll schön sein. Die Herberge einfach. Sehr einfach. Kostet auch nur 6 EUR.

Freitag, den 15. September 2017 Mos-Redondela

7:00, stockdunkel, die Pilger wachen auf. Wasserleitungen rauschen, Türen schlagen, Leute husten, Schritte. Das letzte Hochbett in dem Saal mit 20 Leuten wollte ich nicht, hab mir eine der beiden, auf dem Bode liegenden Matratzen in einem fast leeren Raum ausgesucht. Meine ist in blauem Plastik eingeschlagen und wird mit einem Bettbezug aus leicht reissender Gaze, die man beim Bezahlen bekommt, bedeckt. Darüber der Schlafsack und voil’a, das Bett ist fertig. Hab gut geschlafen. Jetzt muss ich mich beeilen, es wird 8:00 und hell und ich muss meine Plastiktüten wieder packen. Steil bergan. Es ist noch immer die alte römische Straße. Vor einem Jahr sind hier Hanne & Jörg lang marschiert und vor 1900 Jahren römische Kohorten. Ich gehe eine zeitlang mit silberhaarigen schwedischen Larys. Schon gestern mehrmals getroffen. Sie sind sehr nett. Die eine läuft flott und vor, und wartet nach einigen Kilometern auf ihre Freundin.

Herrlicher Morgen mit Sonnenschein. Römische Meilensteine am Weg, und moderne. Unter 90 km bis Santiago. Die linke Verse zieht, die darf auch mal. Dafür gibt der Nerv Ruhe. Kaum gesagt fängt der an. Ich sag Nix mehr. Jetzt geht’s Berg ab Richtung Redondela. Die Wanderuniformen sind nicht kleidsam. Fast alle haben sie an. Ich auch -mit Strohhut. Mein Alleinstellungsmerkmal. Und das Halstuch vom Karneval in Santa Cruz. Ich nehme an, die alten Pilger gingen in normalen Kleidern. Pilgern ist ein Geschäft. Für Ausstatter, Transportunternehmen, Hoteliers, Restaurants, Hochbettenbauer, Maurer u.a. Und für die Kirche (Wenn außer dem offiziellen Termin am Sonntag jemand das riesen Weihrauchfass in Santiago geschwenkt haben will, kostet das 300 $. Kleinvieh macht auch Mist: Pilgerpass kostet zwei Euro. Rechnen wir 1 € nach Abzug Unkosten, sind das bei 270 000 Pilgern, die letztes Jahr in Santiago ankamen, ein erkleckliches Sümmchen. Und das ohne diejenigen, die sonstwo mit dem Pass pilgerten) Überall Wein, Cola, Obst, und haufenweise rote Paprikaschoten, alles auf kleinen Feldern. Ich bin kein Rucksackmensch, aber mit der Zeit kenne ich mich in meinem aus. (Es ist der, der mit meiner Schwester schon mal diesen Weg gegangen ist).

Heute tut mir alles weh. Noch 4 Km zu Herberge. O Refuxio de la Jerezana (Refugium der Frau aus Jerez), von einem der Experten empfohlen, 4 Km nördlich von Redondela. Morgen gehts über 2 Bergkuppen nach Pontevedra. War nix mit Massage, kam kein Bus. Geht schon wieder wenn ich so rum liege (z. Z. Im Herbergsgarten). Rechts ein Bier, vor mir spanische Berge und ansonsten Tralala. Das Essen heute Abend wird geliefert. Chorizo in Salsa de Cerveza samt vor und Nachspeise 9,90€. Und 1 Getränk !

Samstag, den 16. September 2016. Redondela – Pondevedra

Gestern Mittag dachte ich, jetzt geht’s bergab (mit Unpässlichkeiten). Doch dann gings weiter und körperlich aufwärts mit der Herberge als Ziel (auch als Steigung). Vielleicht war das so wie mit unseren Kühen. Wenns Richtung Stall ging, wurden sie munter. Die Costa-Route war bisher landschaftlich die schönste. Über die Holzstege am Wasser entlang, später in die Berge auf schmalen Pfaden, kleine Orte streifend, dann wieder abwärts und an der Küstenlinie entlang. Auch sind hier viele Pilger. Gut dass ich gestern die 4 km weiter gegangen bin. Heute steigt der Weg lange steil. Sie haben Fichten geschlagen. Es riecht gut. Auf der Höhe die große Tafel mit den vielen Jakobsmuscheln. Hier kann sich jeder verewigen. Ich hatte weder Marker noch Lust. Ein kleines Schild rechts unten – letzten Monat hat sich hier ein junger Mann mit dem Fahrrad zu Tode gebracht.

Es geht weiter durch einen herrlichen Wald, doch der Berg da drüben sieht noch höher aus. Links zwischen den Bäumen taucht ein Meerarm auf. Malerisch. Es geht abwärts (nach Till Eulenspiegel nicht gut, weils mit Sicherheit danach wieder aufwärts geht). Ein wunderbarer Morgen. Frühes Sonnenlicht liegt über der Bucht, es riecht nach Ginster und ich wandle zwischen Eukalyptusbäumen. Die Genusszeit verlängert sich jeden Tag. Glück und Beschwernis geben sich bei meinem Camino die Hand. Nein, es ist keine geschlossene, beschwerliche Veranstaltung mit einem Ziel und danach wieder Freiheit. Es ist nicht Santiago, das von Interesse ist. Es ist auch nicht das nächste Ziel von Interesse (obwohl man sich manchmal um die nächste Übernachtung kümmern sollte, gestern Abend erfahren, dass in Pontevedra alle Herbergen belegt sind. Gerade noch mal ein Platz in einem kleinen Pilgerhotel gefunden). Es ist die nächste Steigung die interessiert, es ist der Wald um einen rum, es ist die Stadt, durch die man latscht, es ist der Körper, es ist das Bein, es ist der Nerv (der nicht nervt), es ist der Augenblick und der nächste Moment. Und höchstens die Frage, wie weit komme ich heute. Und wieviel Km sind das noch.

Die schönste Strecke bisher. Über einen Berg, hinab zum Fjord, eine alte Steinbrücke, Häuser spiegeln sich im Wasser und Boote, durch eine mittelalterliche Stadt aus Steinquadern, verwinkelte Gassen hinauf und hinab ins Tal ein schmaler Pfad. Jetzt sitze ich an einem Bächlein das munter murmelt und esse eine Banane. Anscheinend geht es wieder so wie bei unserer Fahrradtour von Siena nach Rom. Da haben wir mittags eine Kleinigkeit und abends mehrgängig gegessen. Und hatten hinterher in Rom drei Kilo zugenommen. Ich mach das genauso hier und merke, dass der Riemen klemmt. Über dicke Steinquader geht es wieder bergauf durch Buschwerk und hohem verbranntem Farn. Die beiden schwedischen Ladys haben einen richtigen Pilger kennen gelernt. Es war ein Portugiese, der ein Gelübde abgelegt hatte. Nach sechs Jahren Ehe hat seine Frau vor einem halben Jahr den erwünschten Sohn geboren.

Ich gehe, um die langsame Fortbewegung zu erfahren, die Eile mit Weile zu ersetzen. Jetzt geht’s noch mal richtig zur Sache und aufwärts. Das Hemd gestern Abend nicht gewaschen, jetzt habe ich den typischen Pilgergeruch. Der Mischwald aus Nadelholz, Eichen und Eukalyptus gefällt mir. So kann der Eukalyptus dem Boden nicht austrocknen und dient trotzdem als schnell wachsendes als Nutzholz. Ist das dass Pilger Feeling wenn ich mich frage, was mache ich an jenem Morgen, wenn ich den Rucksack nicht umschnallen und los gehen darf? Später geht es durch Weinberge und an meterhohem Kohl vorbei. In der Ferne Pontevedra. Noch keine Etappe war so leicht und wunderbar. Auch die Menschen aller Nationen. (Bis auf einen muffeligen Compatriota und einer Dame, die im Café am Wegesrand herumposaunte und gewollt und kraftvoll lachte. Ich hab tunlichst Spanisch gesprochen, damit ich nicht in dieselbe Schublade komme). Also gut ich will nicht angeben, die letzten Kilometer die Landstraße entlang waren nicht schön und anstrengend.

Sonntag, den 17. September 2017; Pontevedra – Caldas de Reis

Bis ich morgens meine Füße mit Hirschtalg einbalsamiert, die wunden Stellen abgetapt, Diclo auf die wehen Muskeln aufgetragen, die Hosenbeine angezippt, die nasse Wäsche an den Rucksack und diesen eingepackt habe, das dauert. Zuerst wollte ich mir ein Taxi nehmen, denn es sind einige Kilometer mehr vom Hotel aus. Doch der Gang durch die fast menschenleere Stadt ist es wert zu laufen. Besonders die Altstadt hat ihren eigentümlichen Reiz. Hier ist alles auf Jahrhunderte alte Pilgerkultur ausgerichtet. Die Straßen, Plätze, Kirchen, Hotels, alles nennt sich nach Peregrino. Einer meiner Experten lobte „Die wunderschöne Kapelle der Madonna Peregrina aus dem 18. Jahrhundert. Auf dem Grundriss einer Pilgermuschel gebaut ist sie ein barockes Kleinod“. Die Pilgerscharen sind schon wieder unterwegs. Die ersten, hat gestern einer erzählt, laufen um sechs los. Dann ist es stockdunkel und eisig kalt. Ich lass mich lieber überholen, dann bin ich auch alleine. Morgens müssen sich die Füße und Gelenke ein laufen. Dann stolpere ich etwas dahin. Diese Pilgergespräche besonders des Abends sind nicht mein Ding. Entweder dreht es sich um Etappen und Herbergen oder man versucht mit Allgemeinwissen Verständigung herzustellen. (Mein Freund geht nie wieder nach Afrika. Weil er mal in Libyen eingesessen hat. Null Ahnung, wie groß Afrika ist.). Und dass man beim Wandern permanent erzählen kann, ist mir nicht begreiflich. Das gibt sich ja auch gegen Nachmittag hin.

Die Vorstadt durch die ich komme, ist nicht reizvoll. Aber in den Gärten und den Einfahrten Weinlauben. Es riecht nach neu gegorenem. Die Dame, die so freundlich grüßt, hat ein bezauberndes Parfüm an. So ähnlich stelle ich mir die Völkerwanderung vor. Ganze Horden mit Gepäck in die selbe Richtung unterwegs. M fragt, ob ich schon unterwegs bin und wie es geht. Es geht – ganz gut. Gestern mit der Stadbesichtigung wider über 20 Km. Heute bedeckt und traurig. Es ist Jagdsaison. Männer fahren mit ihren Hunden im Käfig hinterm Auto und den Gewehren und den Freunden in den Wald.

Jeder denkt an sich, nur ich denk an mich. Keine Ahnung, was das jetzt zu sagen hat, es geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Die Gruppe junger Leute vor mir hält Händchen und macht Sperenzchen mit ihren Stöcken. Die haben Überschüssige Kraft. Steil Berg auf, steil Berg ab. Das wäre überhaupt nichts für M gewesen. Viele Strecken hätte sie gehen können, doch manche eben nicht denn bergab macht ihr Knie oft nicht mit. Ich erinnere mich noch an den Tunguragua, rauf kein Problem, runter musste ich sie streckenweise huckepack tragen.

An die Essenszeiten in Spanien muss ich mich wieder gewöhnen. Mittagessen bis 16:00 Uhr, Abendessen frühestens ab 20:00 Uhr, die guten Restaurants ab 21:30 Uhr. Und abends hab ich Hunger! Hilfe, da ist sie wieder, die Teutonin. Gottseidank, biegt sie jetzt in ein Café ein. Heute ist sie allerdings ruhig. Zwei Mädchen laufen gegen den Strom, von Santiago nach Porto. Sie erzählen, je näher Santiago kommt umso stärker werden die Pilgermassen. Mindestens drei Dutzend haben mich heute schon überholt. Gestern noch angegeben, das Leben im Augenblick sei schön, heute beschäftigt mich zu nehmend wie weit es noch ist (mindestens noch 16 km, bin schon sieben gelaufen). Und ich muss nach Caldas, weil ich erstens sonst das Date mit M in Porto am Donnerstag nicht einhalten kann und zweitens eine Absteige gebucht ist.

Zwei stolze spanischer Reiter kommen mir auf dem engen Waldpfad entgegen. Das eine Pferd dreht sich im Kreis. Ich weiche in den Wald aus. Durchquere Zauberwald mit silbrigen Blättern, links unsichtbar plätschert ein Bach, rechts kommen Quellen aus dem Berg. Es geht aufwärts. Meine Unterschenkel protestieren. Hohlweg, Lichtflimmern, bin alleine. Kein Wunder, mein Schritt ist schleppend, der linke Fuß molestiert. 11 Km gegangen, noch 12 Km vor mir. Abwärts frohen Muts und frisch gestärkt mit einem Sandwich Jamon Serrano. Und wen treffe ich? Die beiden schwedischen Ladies. Wir haben uns in den letzten drei Tagen immer wieder getroffen. Den Fehler mache ich nicht mehr, tagsüber nur Obst zu essen. Obst mag gesund sein, aber nicht für Pilger. Jetzt weiß ich auch warum das Brandsohlen heißt. Siesta unter einer Brücke mit murmelndem Bach, jetzt sind es nur noch 7 km. Ich will aufbrechen, wer kommt des Weges? Die beiden Schwedinnen! Wir lachen und wechseln. Sie kommen runter, ich gehe meines Weges. Wir haben den selben Rhythmus. (Und dasselbe Alter. Annika ist drei Jahre jünger.) Der Weg schlängelt sich am Hang entlang, steigt wieder an, absolute Stille, nur meine Schritte und deren klappernden Stock zu hören. Die Gedanken schweifen. Ein Santiago kenne ich, Santiago de Chile. Es war 1968, wir waren Entwicklungshelfer und gerade angekommen, und unser chilenischer Sprachlehrer hatte uns aufgetragen, unverzüglich eine empanada bien caliente, eine Maultasche chilenischer Spezialität, zu essen. Wir gehen mit der Gruppe in ein Lokal, einer wagte sich vor und bestellt una empleada bien caliente. Der Ober schmiss uns bald raus. Mit der kleinen Verwechslung von Empleada statt Empanada hatte er ein heißes Dienstmädchen bestellt

Da liegt es vor mir! Caldas! Ich bin stolz wie Fritz (wie Otto ist ja jeder). Sieht ein bisschen versifft aus das Städtchen. Aber ich bin ja nicht hier, um es zu lieben. Heute geht es mir, oh Wunder, besser als gestern am Ende der Reise. Und zwischendrin war es genau umgekehrt. Im letzten Café 3,5 Km vor Caldas. Das Pilgerpärchen neben mir hat 7 Glas Wein bezahlt. Ham die was vor? Ich wüsste nicht, wie das mit meinen zerschlagenem Körper gehen sollte. Der Ober fragt, ob ich schon ein Zimmer habe. Die Stadt sei gerammelt voll. Jedes Jahr würde sich die Anzahl der Pilger verdreifachen. Er fragt ob mir der Camino gefällt. Es ist ein unvergessliches Abenteuer das nicht immer gefallen kann. Es ist eine unvergleichliche Erfahrung mit der Landschaft, den Städten, den Menschen, mit sich, seinem Körper, seiner Ausdauer, seinen Wehwechen, seiner Freude, dem Glücklich sein, dem down sein und alles viel intensiver als im normalen Leben. Das Leben langsam angehen, mit weniger auskommen. Und es aushalten, der Letzte zu sein der in die Stadt einläuft. Das lerne ich. 18:00 Uhr, in der Pension. 9 Std und 23 Km pilgern hinter mir.

Montag, den 17. September 2017; Caldas de Reis – Padron.

Ich bin aufgeregt, nach meiner App könnte ich morgen Abend in Santiago sein. Die anderen Experten sagen, noch mal übernachten. Mal sehen. Heute Morgen um 6:30 Uhr aufgewacht, bin ich früh unterwegs. In einer klitzekleinen Pension-Bar mit einer freundlichen Wirtin und guten Köchin übernachtet. Als ich ankam hinkte ich, da hat mir eine Fee einen Seidenstrumpf, einen kurzen, hingelegt. Ich spür die Blasen am rechten Fuß kaum noch. Heute Morgen fragte sie, ob ich was mitnehmen will und macht mir ein Sandwich mit spanischen Omelett. Umsonst. Es regnet. Die Autos auf der Schnellstraße über mir sind in einer halben Stunde in Santiago. Manchmal überfällt mich die Panik: hab ich auch alles eingepackt. Das wichtigste ist das Ladegerät für das Handy, sonst hab ich die App mit dem Weg nicht. Weil ich ja sinnigerweise die gekauften Karten zu Hause liegen gelassen habe.

Die Rennerei geht wieder los. Wer zuletzt kommt, kriegt keinen Platz in der Herberge. Jetzt ist es passiert! Meinen guten Strumpf verloren. Er hing zum Trocknen am Rucksack und die Sicherheitsnadeln ist aufgegangen. Ich weiß, was ich mache. Rechts trage ich den Socken über dem Nylonstrumpf. Der wird heute Abend nicht so durchgeschwitzt sein. Den nehme ich morgen wieder und links den verbliebenen Socken. So wie bei Astrid Lindgrens Karlsson. Wenn die Oma rief, du musst dir die Strümpfe wechseln und Karlsson zog seinen rechten Strumpf auf den linken Fuß und den linken Strumpf auf den rechten Fuß. Die Geschichte hat Katharina wortwörtlich wiedergegeben auf der Rückfahrt von der Ilha Grande nach Rio in einem elendig langen Stau. Wir saßen zu 7. im Auto, doch den Kindern machte es nix, im Gegenteil, Kathi erzählte ihre Bücher und drehte ihr Haar. Ach wie liebe ich diese Erinnerungen.

Jetzt wirds unfreundlich und kalt, der Nebel hängt tief über dem Tal. Weniger Sorgen zu haben, macht das Leben nicht sorglos. Die wenigen Sorgen sorgen auch. Man soll, sagen die Experten, die Blase mit einer Nadel durch stechen und einen Faden durchziehen. Damit die Flüssigkeit absickern kann. Hab ich gestern gemacht, aber vergessen, die Nadeln zu desinfizieren. Kann ja nicht an alles denken. Jetzt laufe ich auf einem Bindfaden. Es geht Hügel auf, Hügel ab, Hügel auf Hügel ab. Noch 7 km bis Herborn. Heute will ich im Kloster übernachten, bei den Mönchen. Sei was Besonderes mit denen zu essen und eine Nacht zu leben. Obwohl es ein Umweg ist. Wieder so ein zauberhafter Weg durch den Wald. Heute tropft es nicht nur aus den Quellen sondern auch von den Bäumen. Das mit dem Kloster hat nicht geklappt, jetzt habe ich ein Stockbett in einer Herberge vor der Stadt. Ist auch Camino-Feeling. Heute ists mir schwer gefallen. Wie auf dem Schild im Café an der Straße stand: El camino y la vida tiene mucho parecida. Tienen subidas y bajadas, sufrimientos y alegrías. Ja ja, das Leben und der Camino gleichen sich in Vielem. Höhen und Tiefen, Leiden und Freuden. Hauptsache ich liege auf dem Bett und brauch mich nicht mehr rühren. Höchstens noch zum Abendessen.

Dienstag, den 19. September 2017. Padron – Theo

Heute noch nicht Santiago, es sind noch 24 km. Morgen will ich frisch und munter zur Mittags- Messe ankommen. Padron: berühmt wegen seiner gleichnamigen gegrillten grünen Paprika und wegen des Steines der in der Kirche steht. Der katholischen Geschichtsschreibung nach soll Johannes (einer der Jünger Jesu) hier missioniert haben, nach Jerusalem zurückgesegelt, dort geköpft, auf einem Stein übers Meer zurück gebracht, in Patron gelandet sein. Den Stein hat man noch, den Kopf nicht mehr.

El Patron ist in Südamerika auf dem Land der Arbeitgeber, der Haciendeiro. Ich dachte immer, die grünen Paprika kommen von der Farm des Patron und heißen deshalb so. Nein, ihr Name kommt von dieser Stadt. Und wie ich zu meiner Schande feststelle, wird die Stadt mit d geschrieben. Betrübt, wolkig, der Camino verabschiedet sich. Ein junger Mann vor mir schwingt das linke Bein aus, humpelt. Er hat es sich gestern verletzt, sagt er. Und dann grinst er und sagt See you in Santiago. Ein großes Plakat am Straßenrand: El amor no existe, se hace. Ganz meiner Meinung. Liebe existiert nicht per se, man macht sie. Ach du Scheiße, hinter mir Dutzende von Pilgern in der schmalen Gasse. Die letzte Stadt vor Santiago hat ihre Tore geöffnet und den ganzen Haufen auf die Reise geschickt. Die beiden spanischen Pilgerdamen gehen gemütlich wie beim Sonntagsspaziergang. Ich frage sie, was die Kalebasse am Pilgerstock bedeutet. Es ist, wie die Muschel, ein Symbol des Weges nach Santiago.

Und ich dachte, es geht in den Wald. Dabei donnern Autos vorbei, Sägen schrillen, Bagger baggern, nicht schön. Christoph schreibt, ich soll die Nadel zum Durchstechen der Blasen mit einem Feuerzeug desinfizieren. Alkohol sei zu schwach, den trinke Mann besser. Mache ich. Jetzt geht es wieder in die Berge und die Ruhe.

Zur Philosophie des Camino: morgens weiß man ohne Zweifel, was am Tag zu tun ist. Und des Abends spürt man eindeutig, was man den ganzen Tag gemacht hat. Man lernt so einiges. Den Rucksack mit einem Schwung über den Rücken schwenken und in ihn hinein schlüpfen wie in einen alten Handschuhen. Oder die Schuhe binden: bei meinen müssen die Schnürsenkel rechts anders festgezurrt werden als links.

Aufwärts geht es hinauf hinauf, unten flitzen die Autos. Mögen Sie. Jetzt bin ich doch vor lauter Diktieren falsch gelaufen! Mist.

Liege unten in einem der Hochbetten mit 10 anderen Pilgern (drüben nochmals 10). Heute war ich bei den Ersten, die in der Herberge ankamen! Wollte unbedingt die letzte Nacht nochmals in einer einfachen Auberge übernachten. Kostet 6€. Morgen das Hotel ist teurer. Wesentlich. 10 Km sind’s noch.

Mittwoch, den 20. September 2017; Theo – Santiago de Compostdella

Letzter Tag letzte Strecke. Schon um 8:00 Uhr im Dämmerlicht unterwegs. Die Herberge war früh wach. Es ist empfindlich kalt. Die Hähne krähen und die Pilger pilgern.

Das mit dem Stein auf dem der Kopf von Jakob nach Spanien gesegelt sei, war wohl eine Legende zu viel, die auf mein Konto geht. Also, die hier geglaubte gängige Version geht so: Johannes, einer der zwölf Jünger Jesu, ging nach dessen Tod in die römische Provinz Hispania um zu missionieren. Er war nicht sehr erfolgreich. Ging zurück nach Jerusalem, wurde gefangen genommen und enthauptet. Seine Jünger (also die von Johannes), so die Legende weiter, überführten den Körper nach Spanien und begruben ihn. Das Schiff soll der Sage nach in Padron angelegt haben, und dieser Stein, an dem das Schiff fest gemacht haben soll, ein römischer Meilenstein, der wird heute in Padron in der Kirche unter dem Altar ausgestellt. Die Leiche wurde im Inneren des Landes vergraben und im neunten Jahrhundert hatte ein Bischof eine Vision, deutete auf die Erde und sagte hier liegt er. In der Tat fand man Gebeine und der Bischof bestimmte, das sei Johannes. Über seinem Grab wurde eine Kirche errichtet, die immer weiter bis zur heutigen Kathedrale ausgebaut wurde. Und drum herum entstanden riesige kirchliche Gebäude und Santiago wurde nach Jerusalem der zweit wichtigste Pilgerort der katholischen Kirche. Santiago ist in Spanisch eine Verkürzungen von heiliger Jakobus.

Nochmals 300 Höhenmeter geschafft, von hier oben aus müsste man Santiago sehen, hat einer der Experten geschrieben. Aber ich sehe nix, nur Nebel. Abwärts geht’s zur Stadt hin, dann öffnet sich das Tal und – ja doch, da sind sie, die Türme der Kathedrale. Noch ein einhalb Stunden. Es geht abwärts. Ein schmaler Pfad. Kleine Häuschen, kleine Gärten, dann wieder Ausblick und da liegt die Stadt und im Nebel sehe ich sie wieder, die Türme. Santiago! Die ganz Zeit war die Phantasie darauf ausgerichtet, wie die Wurst am Stock vor der Nase des Esels. Nun habe ich sie erreicht. Nicht die Wurst. Die Stadt. Es ging dann nochmals gewaltig rauf und runter. Doch dann kam das Ende der Pilgerreise näher -und dann war ich in der Stadt und dann waren da viele Geschäfte auf der breiten Straße und dann wurden es mehr und mehr Menschen und dann bog ich um ein Ecke und da war er, der Platz vor der Kathedrale mit den in der Mitte im Boden eingelassenen Zeichen und Texten, dass hier der Pilgerweg zu Ende sei. Und dann war da nix in mir, aber um mich rum ein Betrieb mit geführten und nicht geführten Touristen und den dazugehörigen Souvenirläden, die mich abschreckte. Wegen Bauarbeiten ist der Kircheneingang um die Ecke. Zur Pilgermesse wollte ich. Doch da war noch mehr los und eine endlos lange Schlange von Menschen rückte langsam an der Personenkontrolle vorbei ins Innere. Da verging mir die Lust auf Messe, stattdessen bekam ich Lust auf Essen. Ein guter Gedanke, denn die Kirche, sagte mir ein Pärchen, besucht man besser später am Tag. Viel von den protzigen Steinen die in riesigen Palästen um die Kathedrale aufgehäuft wurden, werde ich mir nicht anschauen. Ein bisschen rumwandern, ein bisschen Leute schauen, vielleicht treff ich ja den Einen oder Anderen. Nach der Ruhe und ja auch Besinnlichkeit dieser Kommerz hier, dieser protzige Reichtum auch und gerade der Kirche, das stört mich. Und was ist die Konklusion der ganzen Erfahrungen des Camino Portugues? „Immer langsam voran, immer langsam voran, dass der Krehwinkler Landsturm nachkommen kann.“ Bom Camino, Leute

Donnerstag, den 21. September 2017 Santiago de Compostela – Porto In 3 1/2 Std! Das müsste verboten werden! 2 Wochen waren es zu Fuß.

Der Bus gerammelt voll mit ex-Pilgern. Gestern geschrieben, wie mich dieses überfüllte Gewusel geschockt hat. Nach Natur und Einsamkeit kein Wunder. Und dass ich nicht so viele alte Steine anschauen will. Am späten Nachmittag war die Kathedrale nicht mehr so voll. Sie ist bombastisch. Ob sie größer ist als der Petersdom? Das Querkreuz scheint mir genau so lang wie das Langschiff. Und überall sind Kapellen angehängt und Räume und wieder Kapellchen. Hinter dem mit Gold und Cupidos und barocken Engeln mit Flügeln und Säulen überbordend ausgefülltem Altar bin auch ich hinter die Büste des Jakobus (woher wissen die, wie der aussah?) den schmalen Gang hochgestiegen. Man soll seine Arme in den Altarraum vorstecken und den Mantel des Jakobus streicheln. Und dann soll man sein Schärflein in die Beterbank mit Schlitz hineinwerfen. Beides nicht gemacht, der Mantel des Armen ist ja schon ganz abgenutzt. Schlitz zum Geldeinwurf findet man überall in der Kirche. Und unter dem Altar, ein schmales Treppchen runter, in einem höhlenartigen Einschub, der Sarg. Massives Silber nehme ich an. Da sollen seine Gebeine drin liegen. Die des Jakobus.

Ich war am nächsten Morgen nochmals da. Lange Zeit könnte ich verbringen in diesem Meisterwerk von Bau- und Anbaukunst, überfüllt mit Bildhauerwerken, die Staunen abringen. Das Überladene, Überfüllte in manchen Bereichen des Bauwerks, das macht mir unwohl. Dann aber wieder Gradlinigkeit der Linienführung, der Säulen, der Hallen. Es ist halt ein Mischmasch jahrhundertealter Bautätigkeit. Seit einiger Zeit renovieren sie ausführlich und von außen sieht die Kathedrale teilweise aus, als hätte der Verpackungskünstler Christo gewirkt. Nicht bewundern konnte ich den Portico de La Gloria. Er ist unter Gerüst und Planen vollständig verschwunden. So gerne hätte ich dort gestanden, wo Friedemann seine Margrit erkannte. (Oder war’s andersrum?). Ich hab mir das Portal auf Bildern angeschaut ( trigonart.com/3d-scan-q), er muss atemberaubend sein, ein magischer Ort, sagt Margrit (dass Friedemann trotz des Staunens über diese einmalige Bildhauerarbeit die Margrit noch gesehen hat, spricht für ihre Einmaligkeit). Dasselbe mit den Gebäuden und Plätzen drumherum. Bestaunenswert. Besonders der Obradoiro hat es mir angetan. Nicht nur, weil der Pilgerweg mitten auf dem Platz endet. Der Platz, etwas asymmetrisch, könnte auch in Siena liegen, hat italienischen Charme. Man kann in den engen Gassen der Altstadt herumwandern und trifft überall auf Kirchen und Plätze, die zum Verweilen einladen. Santiago, schreibt Margrit, ist einfach unheimlich schön. Ja! Ich kann trotz all meines Staunens, meiner Anerkennung solch architektonischer und künstlerischer Leistung (auch Kitsch kann Kunst sein) nie (auch anderswo) verhindern, dass mir Brechts Fragen eines lesenden Arbeiters präsent sind. Wer baute das siebentorige Theben? Wer baute die himmelstürmende Kathedrale, wer waren die vielen namenlosen Arbeiter und Künstler? Und wer hat das alles bezahlt? Noch eine Anmerkung dazu. Ich sehe diese Betrachtungsweise dualistisch, als zwei Seiten derselben Medaille. Es ist kein „Ja – Aber“. Ja, das ist alles schön, ABER denken wir doch mal an die armen Arbeiter….Es ist ein „Sowohl – Als auch“. Sie sind schön und bewundernswert, die siebentorigen Bauten, doch sie wurden NICHT erbaut von Königen, Herrschern, Bischöfen, Sultanen, die alle benötigten eine Menge einfache Menschen. Uns eben. Ich sitze im Bus. Die Grenze haben wir schon passiert. Der Regen hat aufgehört. In Galizien goss es. Der Himmel weinte, weil ich gehe.

5 Antworten auf „Camino Portugues (6.9.-21.9.2017)

Add yours

  1. Lieber REinloft,

    erst einmal vielen Dank, dass du meinen Blog erwähnt hast – das freut mich sehr.

    Dein Bericht ist sehr lebendig geschrieben und macht Lust aufs Pilgern (trotz der Blasen und diverser Schmerzen :-)) Hast du die Reise über eine Agentur gebucht? Wieviel KM bist du pro Tag gelaufen? Hast du dich auf die Pilgertour vorbereitet oder bist du einfach drauf los gelaufen? Ich werde im April an einem kleinen Mammutmarsch (30KM durch das Ruhrgebiet) teilnehmen und bereite mich gerade darauf vor.

    Lieben Gruß, Anne

    Like

    1. Liebe Anne,
      diese Wandertour war so voller verschiedenartiger Eindrücke (dazu gehörten auch die Blasen und Zipperlein), dass ich sie gerne wiederholt hätte. Die Zeit schwindet. Leider.
      Zu deinen Fragen: nein, gebucht hatte ich sie nicht. Ich hatte eine App mit genauer Beschreibung der Etappen. Die Vorbereitung bestand darin, meine Schwester zu befragen, die war ein Jahr vorher gelaufen. Am Tag bin ich so 20 km gegangen, auch weniger. Da ich doch ehrgeizig bin, musste ich lernen, dass ich langsamer laufe als die meisten. Geh einfach los und richte dich nach dir auf deinem Marsch durchs Ruhrgebiet.

      Gefällt 1 Person

  2. Wenn ich das so lese…Ich würde glatt wieder los laufen. Es war auch für mich ein unvergleichliches Erlebnis. Und Blasen gab‘s auch, leider. Trotzdem. Ich kann es jedem und jeder empfehlen. Ein Gefühl von Freiheit. Wenig Gepäck, einfach los laufen, nur der Weg ist vorgezeichnet. Alles andere entscheide ich. Wie weit ich täglich gehe, wo ich Pausen mache, wo ich übernachte. Wer seinen Rucksack nicht mehr selbst tragen kann, lässt ihn für wenig Geld transportieren. Als mein Knie anschwoll, bin ich einfach ein Stück mit dem Bus gefahren und habe abends meine Leute wieder getroffen. Es ist eine große Gemeinschaft aus aller Welt, die da unterwegs ist.

    Gefällt 1 Person

    1. Es ist mein großer Traum, ihn nochmal zu gehen. Und wenn es nur 10 km am Tag wären. Aber ich glaube, es wird nichts mehr. Ich muss auch meine Grenzen sehen.

      Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Erstelle eine Website oder ein Blog auf WordPress.com

Nach oben ↑