Mein Dorf
liegt an den Ausläufern des Rothaargebirges klein und fein eingepackt in Hügelketten. Geboren bin ich hier. „Ich stieg im Jahre 1963 in einen Zug, wie man in einen Traum gerät. Die Hauptsache war, wegzukommen“ (bei Josef Conrad geklaut weils so schön passt).

Der Kreis hat sich geschlossen, ich bin wieder in H gelandet, dem Dorf, dem ich vor über 40 Jahren entflohen bin. Da waren die Jahre der Arbeit in Afrika und Lateinamerika, das Abenteuer, die Liebe mit M, die Freunde, das Feiern, immer wenn es ging aus dem Vollen. Da waren diese Menschen in anderen Kontinenten, menschlicher oft als uns bekannt, manchmal auch nicht. Ich will es aufschreiben, nun, da mein Leben einigermaßen zum Stillstand gekommen ist.
19 Jahre dörflicher Indoktrination haben nachhaltige Wirkung gezeitigt. Fleißig, sauber, sparsam, treu, brav, angepasst und Samstag muss die Straße gekehrt werden ist noch immer irgendwo in mir. Meine Bücher musste ich auf dem Klo oder nachts unter der Decke lesen. Heute lese ich auch tagsüber – und habe prompt ein schlechtes Gewissen. Um mich herum arbeiten Männer und Frauen, Motoren kreischen, Werkzeuge scheppern, Menschen eilen – ja sie rennen von einer Arbeit zur anderen. Nach Afrika fällt das besonders auf. Da geht man mit Würde. Und Arbeit ist eine Notwendigkeit. Keine Selbstbestätigung.
Manchmal werden wir noch als Senior Experten eingesetzt. In Mosambik, Südafrika, Rumänien, Bolivien. Vor einem neuen Einsatz habe ich Respekt. Die Anforderung, in maximal 3 Monaten Strukturen zu ändern, belastet. Andererseits will ich weitere Abenteuer, Erfahrungen, von hier verschwinden, abtauchen, dann wieder auftauchen mit neuen Geschichten.
2. Rio und warum zurück im Dorf
Rio war die schönste Zeit. Die Ausschläge im Spannungsfeld Leben extrem. Von rauschenden Festen bis Überfall. Von Caipirinha bis anderes Christentum. Von hoher Politik bis Favela-Elend. Von Liebe & Leidenschaft bis Todesnähe. Und über allem der Corcovado mit seinem Christo, diese wundervolle Stadt bewachend mit ihren Hügeln und Tälern, den Stränden und Menschen. Ich glaube, er passt ab und zu nicht auf, der Christo. Weil er den Tangas nachschaut, nehme ich an. 5 Jahre hatten wir pralles brasilianisches Leben.
Hier auch der Schlüssel zur Rückkehr in mein Dorf. Wir wurden überfallen. In unserer Wohnung an der Copacabana. M. arg verletzt. Pistolen am Kopf, ausgeraubt. Wenn wir nicht 10 000 $ kriegen, erschießen wir euch. Gefesselt. Hilflos. Verwundet. An Leib und Seele. 1 arger Schock, die Sicherheit seiner Wohnung und sich selbstzu verlieren. Behandlung. Beide. Die Sehnsucht, Sicherheit zurück zu gewinnen. Der Psychologe lässt mich einen Traum zeichnen. Adler über H. Und ein Holzhaus. Das haben wir uns dann gebaut. Und nach dem Einsatz in Tansania sind wir zurück gekommen. Zum ersten Mal all unsere Erinnerungen zusammen an einem Platz.
Das Haus und die Lage vor dem Tal, das Grün und im Herbst Buntes auf den Hügeln ringsum. Aber alle Freunde weit verstreut, in Deutschland und überall. Da beginnt es schon, mein Problem.

Home sweet home. Der sicher Hafen! Egel wo. Uhr seid gut geerdet. Und Reisen geht doch immer noch. Und reisen in die Erinnerung hat doch auch etwas! Wir sehen uns!