Wir haben 5 Jahre in Rio gelebt und genossen (1992-97) und mussten dann nach Bogota. Ein Jahr später war die Sehnsucht zu groß:
Rio, 14 Tage Rio. Herrlich. Warm, freundschaftlich, vergnügt, feucht-fröhlich. Ich wußte gar nicht, wieviel Freunde wir da haben. Wo wir hinkamen in unsere alten Lokale, kamen die Ober freudestrahlend auf uns zu, wußten noch, was wir zu trinken wollten, was wir gerne essen mochten. Und dann die Freunde Jack und Anita und Renate, die alte Mannschaft aus dem Büro mit Zenaide und Clayton und Paulo und Maria und Vandré und auch Angela und Franklin. Alle waren sie lieb und nett und warm und herzlich zu uns. Und geschlafen haben wir wie die Weltmeister. Zehn, ja auch 12 Std. am Tag. (Eigentlich wollten wir immer morgens an den Strand gehen, weil wir ja die Sonne nicht mehr so gewöhnt sind, aber da wir nachts –morgens – erst ziemlich spät nachhause kamen, sind wir nicht vor eins aufgewacht, und so mussten wir dann eben in der Mittagshitze an den Strand. Am 3. Tag waren 40 Grad!)Und im Bett liegen mit nur einer dünnen Decke über und draußen das Meer hören und die Geräusche von der Av. Atlantica. Und brasilianischen Fernsehen sehn. Das war schön.
(Putzmittelreklame grundsätzlich von Männern gemacht und urkomisch, die Frauen sind für die eigene Schönheit zuständig.)
Wir sind am Samstag den 27.3. angekommen. Natürlich mit 3 Std Verspätung, denn Avianca, die da auch heißt Avinunca, („nunca“ heißt „nie“)musste ja ihrem Namen Ehre machen. Aber was macht‘s, wir sind angekommen. Renate, meine ehemalige Sekretärin, hatte das Hotel reserviert mit einem großen Zimmer vorne zum Strand zu. Und dann haben wir am Fenster gestanden und dann war er da, unser schöner Strand lang ausgestreckt mit seinem hellen Sand und den vielen Menschen und die Wellen haben sich überschlagen als sie uns sahen. Und die Sonne hat gelacht und die Autos haben gehupt und die Polizisten haben Salut geschossen. Na ja, denen weicht man immer noch am besten aus. Die wissen nicht, wie man Salut schießt.
Und dann sind wir gleich zu Jorge gegangen, Feijoada essen und Caipirinha trinken. Der kam mit offenen Armen auf uns zu, hat uns zum Tisch begleitet und die beste Caipirinha gemacht, die wir getrunken haben. OK, kann ja auch sein, dass sie so gut war, weils die erste war. Und hat uns von den Kindern erzählt. Sie arbeiten noch immer am Wochenende, haben sich aber gut gemacht. Und schon waren die Mädchen da. Sie müssen es gerochen haben. Kleine Dämchen sind sie geworden, traurig, dass wir nicht mehr für sie da sind. Sie gehen zur Schule, die eine will Lehrerin werden, die andere Ärztin. Aber am Wochenende verkaufen sie weiterhin geröstete Erdnüsse am Strand.
(Michelle und Raquel sind 15 Jahre alt und gehen in die dritte Klasse, Alejandro und Leandro sind 17, wir haben sie nicht gesehen, aber besonders Leandro scheint ein Mann wie ein Kleiderschrank zu sein. Auch sie gehen zur Schule.)
In den ersten Tagen waren die Wellen hoch. Das hat nur so gekracht, wenn sie auf den Strand gebummert sind. Einmal war sogar ein Abhang da. Und die Jungens mittenmang drin mit ihren Brettern. Die rodeln da die Wellenberge runter wie unsereins den Schneehang. Wir Normalmenschen konnten erstmal nur vorne ins Wasser. Aber Marianne hat mich ja auch zu langen Strandwanderungen animiert. Sie hat gesagt, da oben die Jungens, am Ende vom Strand, die rodeln noch besser. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen. In dem tiefen Sand hab ich mir Muskelkater an den Unterschenkeln geholt. Kommt davon. Und all die schönen braunen Menschen und mittendrin wir mit unserem Bogota-Edelweiss. Die Jungens da oben haben, als wir vorbeigingen gesagt, guckt mal, nevinhos, Schneechen.
M: Und über meinen kolumbianischen Bikini haben sie sich krank gelacht. Der geht bis zum Bauchnabel., und das Oberteil bis ans Kinn- fast! Musste mir gleich einen einheimischen kaufen.
Aber nach einer Woche hat sich das schon gelegt und Jack hat zu mir gesagt, ich sähe 10 Jahre jünger aus. Danach wollte ich gar nicht mehr weg.
R: In Paraty waren wir auch, das liegt südlich nach Sao Paulo zu. Wir sind da mit dem Bus hingefahren, der war so kalt, dass die Spucke erfroren ist. Marianne wußte das, wir hatten Pullover mit und lange Unterhosen. Paraty ist die Stadt, wo sie noch das Pflaster aus der Zeit der Seeräuber haben. Da stolpert man drüber und muß aufpassen, nicht auf die Nase zu fallen. Und so kann man die schönen bunten Häuschen nur sehen, wenn man mal stehenbleibt. Die Häuschen sind wie aus der Spielzeugkiste. Weisse Wände, rote, grüne, gelbe, braune Türen und Fensterläden. Und am Hafen steht ein Kirchlein, das wird von Königspalmen überragt. Es bewacht die Bucht und die Inseln davor zwischen denen der wilde Seeräuber Francis Drake darauf wartete, daß das Gold aus Ouro Preto auf den Maultierkaravanen in die kleinen Karavellen verladen wurden und dann hat er zugeschlagen. Mit einem Messer zwischen den Zähnen und einem lauten, brüllenden Lachen. Und so kommt es, dass England reich und Spanien arm ist. Und der Seeräuber wurde für seine Verdienste geadelt. Er heißt seitdem Sir Francis.
In Paraty haben wir Massenmord an Moskitos begangen. Eine erschlagen, 2 neue tauchten auf. Unangenehm das Geräusch, wenn sie wie Stukas angreifen und man nicht weiß, wo sie an dir nippeln. Marianne hat ein sehr effektives Verfahren mit ihren Latschen entwickelt. Der Nachteil ist, hinterher sieht die Wand aus, als wäre da einer rumgewandert.
Eigentlich wollte Marianne mit mir den schönsten Ausflug der Welt machen. Der geht nach Trinidade. Aber der Jeep war defekt und die Motoristas hatten frei. Da haben wir uns ein Boot gemietet, sind tauchen gegangen und haben den Fischen beim Weiden zugeschaut. Ich war lange nicht mit Flaschen da unten. Eine geheimnisvolle, stille Welt. Enorm der Vorteil, dass dir der Fremdenführer keine Märchen ins Ohr brüllt. Ein Fisch hat mich mit griesgrämigem Gesicht stur angeschaut, ich hab ihm zugewinkt, er hat das Maul aber nicht verzogen. Dann gabs Kugelfisch zum Anfassen. Plötzlich dreht sich mein Tauchbegleiter um, hatte ihn zwischen seinen Handflächen und hat ihn mir gereicht. Niedlich ist der mit seinem runden, schimmernden Bauch und den kleinen Flügelchen. Mit denen hat er dann geschlagen und ist eilig davongekugelt. Und dann gabs noch Zebrafische und lila Seeigel und ein Seestern liebte wohlig einen Stein. Und einen Barracuda habe ich gesehen, der lag in einer Gruft und war so 2 m lang. Von denen muss man sich fernhalten, seinen Kopf hatte er aber woanders, deshalb konnten wir ihn betrachten. Mit gebührendem Abstand selbstverständlich.
Essen: Wie die Könige haben wir gegessen. Feijoada und Picanha und Bolinhos de Bacalhau und Bolinhos de Aipim und Bohnen und Farofa und Fisch und Muqueca und Frango a Passarinho und Cascinha de Siri. Und dann Fleisch, Fleisch, Fleisch in den schönen Churrascerias, da, wo sie die Spieße rumtragen, gebraten, überbacken, gegrillt, vom Rind, vom Schwein, vom Kalb innen außen, oben unten, mit großem Salatbuffet und dem herrlichen Nachtisch aus Cocosmus und Bananenpüree. Bei unserem Italiener unten im Haus waren wir auch. Er ist noch immer der beste Italiener, den wir kennen. Auch preislich. Die Choperia daneben hat jetzt Stühle und Schirme auf dem Bürgersteig. Das gibt dann abends richtig Krach. Und einmal waren wir auch bei unserem Chinesen. Und einmal wollten wir mit Jack und Anita in unser Lieblingslokal (eins von den vielen). Es heisst Sentaí – setz dich hin – aber es wurde gerade desinfiziert. Die Kakerlaken waren zu mutig geworden. Das Essen da ist köstlich. Es hätte Ziegenragout in Rotweinsoße gegeben. Marianne hat einmal eine Fischvorspeise aus Höflichkeit gelobt, obwohl sie nicht geschmeckt hat. Jetzt kriegt sie die schon auf den Tisch, wenn sie reinkommt.
Wie die Speisen da oben alle auf Deutsch heißen? Ach, lassen wir sie im Original. Sie klingen und schmecken da besser.
Die Stadt
Sie hat sich verändert, die Stadt. Sie ist noch schöner geworden. Es fällt auf, wie sauber sie ist. Überall wurden Papierkörbe aufgestellt, sogar am Strand. Und die Menschen werfen den Abfall da rein, nur die älteren Cariocas nicht, sie sind es gewohnt, alles hinter sich zu schmeissen. Und dann gibt es Verkehrsdisziplin! Nicht zu glauben. Wir überqueren am ersten Tag die Straße, wollen schon rennen wie gewohnt, weil die Kolonne ankommt – und dann halten alle an, wie mit einer Linie gezogen. Rote Ampeln zu überfahren, hat man uns gesagt, kostet 450,-DM. Überall stehen Polizisten mit Block, und das funktioniert. Wie schön, besonders für uns Bogotá Geschädigte.
Faulheit im Cariocaland
Als Gott Rio schuf, muss er mal etwas Besonderes im Sinn gehabt haben. Einen Ort, an dem es sich wohlig sein läßt. Einen Ort, mit einer Temperatur, die ölig der Haut schmeichelt, die dazu verleitet, sich auf dem Bett zu räkeln und nichts zu tun. Genau das haben wir ausführlich getan. Und geschlafen, wie noch nie zuvor. Die Augen aufgemacht, das Licht vom Strand gesehen, an den Strand gewandert – und weitergedöst während im Hintergrund die Wellen im Duett mit den Verkäufern ihr Schlummerlied sangen. Und das Gemurmel und leise Lachen der schönen Gestalten um einen rum drang langsam nur noch fern an unser Ohr.
Feiern
Kommt, sang Anita, das müssen wir feiern. Ihr wieder in Eurer Heimat. Warum, ach warum seid ihr fortgegangen. Reinhold, berede Deinen Kollegen, er soll doch nach Bogota gehen und ihr kommt zu uns zurück – ach wär das schön. Und dann sagte sie den Satz, den die Cariocas lieben: nun lasst uns einen trinken und laßt uns feiern, dass ihr wieder hier seid. Estao na sua casa.(Hier seid ihr zu Hause)!
Abschied
Dann war er da, der Abschied. Wir haben ihn natürlich mit all unseren Freunden ein paar Tage gefeiert. Aber dann war es Freitag nacht und Samstag morgen, die Sonne ging auf und das Telefon klingelte: Senhor Reinhold, 5:15. Und der nette Taxifahrer hat uns zum Flughafen gebracht und Avianca hatte keine Verspätung und die Leute im Flugzeug sprachen wieder spanisch und es wurde kalt. Die Klimanlage lief auf Hochtouren. Und dann kam Bogota und wir brauchten keine Klimaanlage mehr und dann stand da Juan Carlos und freute sich, daß er uns abholen konnte und wir freuten uns wenig, dass er uns abholte. Und dann waren wir in der Wohnung und haben schweigend den Koffer ausgepackt und den Sand und die Sonne aus den Kleidern geschüttelt. Und uns war kalt. (Und wir brauchten ein heißes Bad und ein Heizöfchen.)Aber in unserem Herzen war die Sonne aus dem schönen Land und der wunderbaren Stadt und all den freundlichen Menschen. Wir haben zu danken.

mein Lieblingssatz….mit seinem hellen Sand und den vielen Menschen und die Wellen haben sich überschlagen als sie uns sahen.
Poet!!!! LG Werner
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Ist auch bei mir sofort wieder da, das Rio-Feeling!
Hanne
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