Nachtrag: Peru, 26. März 2019; diesig, 22 Grad

Langsam hab ich die Schnauze voll von den anderen Welten. Ist das Fass voll? Fällt es mir schwerer, mich auf andere Kulturen einzustellen? Hab ich vielleicht Heimweh??? Es dauert noch. Erstmal fliegen wir heute nach Arequipa. Ich wollte unbedingt, war noch nie da, immer nur vorbei gefahren. Soll schön sein. 

Lima ist hässlich. Lima ist heiß. Voller Autos, voller Krach, voller Leute, voller Staub und wenn du Pech hast, auch voller Nebel. In Lima regnet es nicht. Es nebelt. Der kalte Humboldt Strom stößt auf heißes Wüstenklima, Nebelschwaden ziehen zwischen häßlich, verkommenen Hochhäusern neben verglasten Prachtbauten hindurch, decken kleine nachgemachte Kolonialbauten zu, eingezwängt zwischen wuchtigen Klötzen ohne Charakter. Manchmal ist ihnen das Geld ausgegangen, Skelette bröckeln vor sich hin. 

Und dann der Verkehr. In den Stoßzeiten morgens, mittags und abends verstopfen Autos Straßen. Dazwischen die kleinen und großen Busse, alt, privat, zusammengeflickt. Wehe, wenn sie losgelassen! Kaum sind einige Meter frei, donnern sie in kleinste Lücken, Meter um Meter sich vorwärts drängelnd. Möglichst den Konkurrenten die Fahrgäste klauen. Beifahrer hängen aus den verklemmten Türen, schreiend wie Markthändler ihre Ziele anpreisend. Einen hab ich gesehen, der wollte unbedingt den Fahrgast gewinnen, er hatte ihn am Arm, drängte zur Tür, doch der wollte ganz woanders hin. Der Fahrpreis ein Peso, 25 Cent nach Euro Geld, ist moderat, davon kann man offenbar nix investieren. Fernbusse neuester Provenienz tauchen hie und da wie weiße Schwäne dazwischen auf. 

Hatte ich nicht geschrieben, Latinos bewegen sich langsam? Limetten (oder wie heißen die Bewohner Limas?) nicht. Bewegt sich wer langsam, sind es wir oder Menschen vom Land. Hier wird gehetzt. Vielleicht wollen sie das Elend um sie schnellstmöglich hinter sich lassen und um die Ecke biegen.

Denn Lima ist schön. Biegt man um die Ecke, ist plötzlich der Lärm zum Hintergrundrauschen abgesunken, nette Häuser, kleine Parks, Menschen mit Kindern spielen darin, Wächter und private Polizisten passen auf, dass der Idylle nichts passiert. Dicke Autos mit schönen Frauen darin fahren langsam um die Ecken, schlanke Menschen auf Fahrrädern wagen sich in den Verkehr. Neuerdings flitzen Elektroroller dazwischen hin. Und öfters finden sie Radwege, eigene, freie Spuren falls nicht gerade einer der Luxuswagen dortselbst abgestellt wurde.

Frank wohnt in solch einem Viertel, gegenüber der Deutschen Schule. Eine ruhige, angenehme Gegend, durch die ein kühlender Wind weht. Staubig ist es auch hier, doch eifrige Dienstboten kehren fleißig. 

Unser Lieblingsstrecke gehen wir möglichst täglich. Oben an der Steilküste entlang, 160 Meter über dem Wasser, durch frisch grün gehaltene, großzügig angelegte Parks mit Fußgängerwegen und Radwegen und Spielwiesen und Sportgeräten und Tennisanlagen und Skaterplätzen und dem Plateau mit dem Start- und Landeplatz für Gleitschirmfliegen. Zumeist fliegen sie Tandem, vor bis zum Larco Mar, dem Luxus-Einkaufszentrum ,das wie ein Vogelnest in die abfallende Küste geschlagen wurde, an den großen Hotels vorbei, zurück an die Küste bis hoch gen Callao. Die Kamera am langen Selfi-Arm hält Schrecken und grandiose Aussicht für Freunde fest. Auch wenn es billiger wäre, mich kriegt keiner dazu, mit Anlauf vom Felsen zu stürzen. Zurück unten am Wasser, an Surfern und Badenden vorbei, Welle um Welle rollt heran mit ohrenbetäubenden Krach den steinigen Strand bewegend. In Abständen Schilder, die Fluchtwege bei Tsunami-Warnungen kennzeichnen. Mir wird beim Aufstieg zum Hochplateau sehr heiß. 

Dann ist da noch zu nennen die gut restaurierte Altstadt mit dem Präsidentenpalast, der Kirche und den Patrizierhäusern mit ihren Holzbalkonen, voller Touristen, Fremdenführern und Taschendieben. Schön ist er schon, der Platz. Einige Straßen weiter wird die Altstadt immer älter. Und die Straßen sind wieder grau und verstopft. Wie gehabt. 

Frank lebt gerne hier. Er ist Peruaner geworden. 

2 Kommentare zu „Nachtrag: Peru, 26. März 2019; diesig, 22 Grad

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  1. Hallo Reinloft, das klingt nach einer sehr interessanten Stadt. Dein Bericht lässt mein Fernweh wachsen. Liebe Grüße aus Frankfurt, Elisa Werner (Dieter’s Nichte von der Sonnenwend-Feier)

    1. Ja, ich kann mich erinnern, war nett euch kennen zu lernen. Den alten Blog mit den Geschichten aus drei Kontinenten gibt es leider nicht mehr.

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