Don Diego ist der Hauswart, putzt, öffnet Tag und Nacht, erledigt Sachen, ist immer da, wohnt auf dem Dach und am Wochenende spielt er Fußball mit seinen ex Militärkameraden. Dann hütet sein Sohn Haus und Eingangstür.

Wir laufen. Laufen, laufen. Am liebsten den Strand hoch bis zur Bajada Balta, von da mit dem Bus zu Carola und Frank. Die Bajada gehts die Steilküste 260 Stufen hoch. Gestern sind wir um die Mittagszeit quer durch die Stadt bei knallender Sonne zu den Unseren gelaufen. Danach hatte ich einen Bibs.
Genau dasselbe Erdbeben wie in der Türkei und in Syrien kann jederzeit Lima erschüttern. Sagen die Fachleute. Seit 270 Jahren baut sich die Spannung zwischen der Nazca Platte und der Südamerika Platte im Tiefseegraben vor der Küste auf, 300 Jahre werden als Durchschnitt zwischen zwei großen Erdbeben angenommen. Lösen sich die Spannungen in der Tiefe des Grabens ruckartig, kommt zum Erdbeben ein Tsunami. Es gibt zwar eine Bauordnung für erdbebensicheres Bauen, nun ja, das regelt man zwischen Freunden.
Heute steht in der Zeitung: vom nächsten großen Erdbeben werden 70% der Gebäude in Lima betroffen sein.
Dauernd werden wir in Englisch angesprochen. Ich frage Carola woran alle erkennen, dass wir Gringos sind. An der Hautfarbe. Aha. Schweinchenweiß. Schweinchenweiß beherrscht die Welt.
Die Frauen in Lima sind schön, wenig schön, nicht schön. Ob alt oder jung, sie schaffen es, mit ihrem Gang wie Prinzessinnen (weiter machen die das mit Badeschlappen) meinen Augen wohl zu tun. Nicht nur wegen ihrer wunderbaren hellen Schokoladenfarbe. Die Männchen dagegen haben wenig Sex.
Sind jetzt die Chinesen blöde oder haben die Amis wieder was vor. Lateinamerikaner (und ich) neigen zu letzterem. Ballons sind auch in Costa Rica und Kolumbien gesichtet worden. Was spähen sie da aus? Die Chinesen sagen, es seien ihre Wetterballons gewesen. Alle Großmächte (und auch kleinere), vorneweg die USA, spähen den lieben langen Tag mit ihren Spionage Sputniks alles aus, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Ich hab gelesen, ihre Kameras sind so hochauflösend dass sie Nieten an Panzern zählen können. Ballons dagegen sind nur begrenzt manövrierfähig und gehören zum Spionage Instrumentarium vergangener Zeiten. Na ja, vielleicht sind die Chinesen doch so bescheuert.
In der Nähe des Hafens Callao haben drei Auftragskiller eine ganze Familie in ihrem Auto erschossen. Mann, Frau, Opa, Oma, zwei Kinder von 12 und 14 Jahren. Bandenrache nimmt die Polizei an. Überwachungskameras haben alles gefilmt. Den Fahrer des Wagens hatten sie gleich. Etwa 800 € hätte jeder der Killer gekriegt, sagt der. Die Mafia in Lima. Ps: heute haben sie zwei der Mörder geschnappt. Willy fehlt, der hat angeblich die Kinder umgebracht.
Dina Assesina steht auf den Plakaten der Protestierenden, die nicht aufhören. Dina Boularte heißt die (nicht gewählte) Präsidentin, sie wird des Mordes an 48 Menschen bezichtigt. Polizei und Militär schiessen gezielt und scharf, losgelassen von der Regierung, die die Proteste als Anarchie bezeichnet, geschürt von illegalen Bergwerkern, Drogenbaronen und Terroristen. 80% der Peruaner lehnen die Präsidentin ab. Die Dame lehnt den von weiten Kreisen als Ausweg aus der Krise geforderten Rücktritt ab. Anscheinend hat sie Angst, zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Wegen Alter und Aussehen , offensichtlich Ausländer, gehört ihr zu den sichersten Leuten in Peru. Von euch will niemand was – außer eurer Geldbörse. Da empfiehlt es sich immer etwas Geld dabei zu haben Nicht zu wenig , weil die sonst schon mal sauer werden und evtl. zulangen. Und keine Handtaschen – die erhöhen die Attraktion.
Ist ja lustig , wie wir funktionieren . Die Kolumbianer sind auf deiner Festplatte der Erinnerungen als noch schlimmer eingraviert als die Peruaner. Vermutlich haben wir in unserem Unterbewusstsein die ganze Welt nach Systemen organisiert und immer die „richtigen“ Antworten parat.
Ich versuche es nochmal, meine Antwort wurde erst mal abgelehnt:
Lieber Werner, danke für die Tipps, sie sind uns seit langem sehr präsent. Kolumbien hat für uns einen besonderen Stellenwert. Unsere Zeit war die Hochzeit der Entführungen. Unsere Botschaft hatte empfohlen, nicht mit dem Auto ins Land zu fahren sondern das Flugzeug zu nehmen. Kaum gesagt, hat die FARC einen Inlandsflug entführt. Berühmt war die pesca milagrosa. Enge Straßen vorne zu und hinten zu und mittels Laptop zahlungskräftige „Kunden“ herausgefischt. Ein Geschäftsmodell, an dem sich „normale“ Kriminelle beteiligten. Die verkauften dann ihre Gäste gerne an die FARC und die versuchte Politik daraus zu schlagen. Bei M in der Klasse waren zum Schluss nur noch eine Handvoll Schüler da, über Nacht mussten viele ins Ausland fliehen wegen tödlichen amenazas. Auch die kürzesten Schulausflüge wurden mit bewaffneten Wächtern gemacht. Mein Fahrer hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Männer in grüner Uniform mit Lederstiefeln Soldaten seien, solche mit Gummistiefeln Guerilla. Wir fahren die anderen runter Richtung Ibague, Provence waren notwendig, das wird Juan Carlos plötzlich ganz vorsichtig. Die Grünen Männer vor uns auf dem Lastwagen hatten alle Gummistiefel an. Sie bogen Gott sei Dank schnell ab in den Wald. Alle aber auch alle Freunde fingen oft bei Feiern um Mitternacht an zu erzählen (und zu weinen) dass ihre Liebsten entführt, getötet, verschollen waren. Dieses spezielle Bedrückungsszenarium hat sich natürlich in unserem Unterbewusstsein festgesetzt. Obwohl – und das finde ich interessant – wir zu Hause fast umgebracht wurden in unserer Lieblingsstadt. Na ja, ist noch immer ein Quell der inneren Unruhe. Rio aber bleibt unsere Lieblingsstadt. Kolumbien dagegen war knallhart dauernd gefahrvoll. Da brauche ich nicht die Welt nach Systemen zu ordnen, manchmal sind die eigenen Erlebnisse dominant genug.
Eure Zeit in Kolumbien hatte ich vergessen . Eine der vielen Ähnlichkeiten und Erfahrungen in unseren Lebensläufen. Ich kam Mitte 1989 nach Kolumbien. In dem Halbjahr wurden 5 Kandidaten für die Präsidentschaft umgebracht. Pasto wurde 1990 von kriminellen Banden heimgesucht und wir mussten für einen Monat abziehen. Das Militär hat denen dann eine Falle gestellt und alle erschossen. Das waren nach meiner Erinnerung so um die 25 Leute . Anschließend bekam ich einen Leibwächter angeboten, den habe ich dankend abgelehnt. In der selben Zeit drohte die FARC die Pan Americana und damit das südlichen Kolumbien ,lahm zu legen. Das war für uns der Anlass ein Projekt in der Region für alternative Landwirtschaft zu starten. Da wir ganz partizipativ waren, war die FARC bei allen unseren Aktivitäten mit dabei . Von der Regierung wurde uns gesagt , dass die Kooperation mit denen verboten ist , und von der FARC , die uns ja bestens kannten, bekamen wir Zustimmung, mit der Versicherung, dass wir uns um unsere persönliche Sicherheit keine Sorgen machen müssen . Zu meiner Sicherheit hatte ich ein Bild mit einer Message vom regionalen Guerilla Führer dabei.
Die kolumbianische Regierung hat das Programm dann mit 370,000 USD finanziert. Für die Durchführung hatte ich einen alten Kollegen gefunden , der dazu auch Lust hatte. Der wurde dann bei einer der besagten pesca miagrosa entführt und damit das Programm beendet..
Mir bot die GTZ das Amazonas Programm an , das damals schon wegen seiner Komplexität berüchtigt war. Bei mir war aber nach 7 Jahren Kolumbien die Luft raus. Ich habe die GTZ dann überzeugen können , das ich eine Pause brauche und bin nach Chile – wo du ja auch schon dein Unwesen getrieben hattest. (Smiley).
Un abrazo, Werner
Sei gegrüßt, Werner!
Was wir erlebt haben (und was wir aparte diskutieren) ist schon ein eigener Blog wert. Mann oh Mann. Leben für mehrere. Natürlich hat es meine Sichtweise verändert. Auf Alltag, Gesellschaft, Historie. Und dieses übersatte Deutschland geht mir immer mehr auf den Senkel. Nur wohin? Ich empfinde mich als zwischen den Welten. So gut mir Lateinamerika liegt, so wohl ich mich oft hier fühle, geht mir hier auch einiges auf den Senkel. Siehe Peru im Moment. Diese Selbstverständlichkeit der herrschenden, reichen Schicht auf Wohlstand und Macht ist für mich schwer auszuhalten. In dem Zusammenhang eine Frage: du hast in einem deiner Kommentare berichtet, dass deine compañeros die aktuelle Lage als schlechter denn je einschätzen. Und ich Depp hatte mit Petro einen Hoffnungsschimmer verbunden. Gut, heute bin ich nicht gut drauf. Merkste, gelle. Mach’s gut und Grüße an Claudia.
Bereits dann R
Deine Reaktion, auf das was da gerade in Peru passiert kann ich gut verstehen und auch deine Kommentare zu Deutschland. Die Erklärungsmuster für all das zeigen die grosse Hilflosigkeit aller Betroffener, die das Gute , das Wahre und das Schöne in der Welt suchen und an der Wirklichkeit verzweifeln. Nun ich glaube wir suchen nach Antworten wo es diese nicht gibt. Wir sind die Schöpfer dieser Welt mit ihren Wiedersprüchen und Konflikten, mit Kulturen und Zivilisationen , die selbst intern ( s. Peru) nicht in der Lage sind Frieden zu schaffen und gerade Heute erleben wir den Clash der der Nationen mit neuer Härte. Die Antworten liegen in uns, in unserer Natur .Solange wir nicht wissen warum wir sind, wie wir sind , warum ich tue was ich tue, wird es keine Antworten geben . Diese Fragen sucht die Philosophie zu beantworten – und verzweifelt oft selbst daran, wie Schopenhauer und Nietzsche. Es braucht Ergänzung metaphysischer Dimensionen des Seins (wenn man keinen Gott hat an den man alles delegieren kann ) die man sich durch Mediation erschließen kann.
Mühsam ? Keine Lust? „Erkenne dich selbst “ -werde dir selber bewusst. Das ist unser Auftrag.
Noch gerade zu Petro. Die Interpretation der Compañeros stammt vor der Zeit von Petro. Der ist Klug und kennt seine Widersacher bestens, weil er, obwohl nicht zur selben Klasse gehörend und oft gemoppt , seine Bildung in deren Umfeld erhalten hat. Die Themen die im argen liegen , wie z.B. Gesundheit, geht er zuerst an und findet damit grosse Zustimmung. Ein Wandel könnte wirklich gelingen.
Wenigstens EIN Lichtblick!