Auf den Spuren von Alexander v. Humboldt: Kommentar meiner Schwester Hanne

Es war in Quito. Frank kam aus der Schule, kannst du mir helfen bei einer Arbeit über Humboldt? So begann meine Liebe zu einem …

Mein liebes Bruderherz, 

vielen Dank für den schönen Bericht über Alexander von Humboldt. Und die dazu passenden Fotos, wo wir auf seinen Pfaden wandelten. Ja, ich durfte tatsächlich bei einigen Expeditionen (und das waren sie für mich) dabei sein. Und davon zehre ich noch heute.

Da war diese Projektbesichtigung irgendwo weit abgelegen von dem, was wir als Zivilisation bezeichnen. Es hatte tagelang geregnet. Wie kommen wir denn nun auf den Berg? Zu Fuß? Mit Autos? Nein, nein, das geht nicht, zu weit, und durch den Regen alles aufgeweicht, mit Autos können wir da heute nicht hinkommen. Also dann – es wurden 2 Maultiere und so eine Art Pferd gebracht (sorry, als Biologin müsste ich das wirklich präsizer benennen können, aber diese Vierbeiner waren mir noch nie geheuer). Alles Gepäck drauf und abwechselnd am Zügel geführt, auch mal ein Stück draufgesessen, so ging’s durch die Matsche schlingernd nach oben. Ach ja, und dieses eine ‚Pferd’. Da musste ich drauf, wahrscheinlich weil ich so begeistert geschaut habe. Sattel gabs nicht, nur eine Decke. So ein ganzes Pferd für nur eine junge Frau, das war dann doch etwas vergeudet. Deshalb bekam ich noch einen kleine Jungen mit hinten drauf, der hielt sich halb an mir und halb an einem Strick verzweifelt fest und rutschte bei jedem Schritt, den das Pferd – leicht schwankend und rutschend- in den weichen, nachgebenden Untergrund setzte, ein Stückchen weiter nach hinten Richtung rückwärtiges Pferdeende. Bis er sich nicht mehr halten konnte und unten lag. Jemand hiefte ihn wieder hoch und das Ganze ging von vorne los. So arbeiteten wir uns den Berg hoch, schlammbespritzt und schwitzend, und was dann oben mit uns passierte, das ist nochmal eine andere Geschichte. Du weisst es ja. 
Und die Fahrt im Einbaum zu den Shoar, die noch vor nicht allzuvielen Generationen Schrumpfköpfe aus unliebsamen Besuchern hergestellt haben, da muss Humboldt auch lang gekommen sein! Aber wir kannten ja die Bedingung, unter der man freundlich empfangen wird: Chicha bis zum Abwinken. Und dann gleich nochmal. Chicha ist gekautes, in einen Topf gespucktes Maniok, leicht vergoren. Ja, da kann man seiner Phantasie freien Lauf lassen- allerdings rate ich davon ab. Manchmal ist es besser, nicht zu intensiv nachzudenken. Einfach rein damit und hoffen, dass es bleibt. 
Und dann am Äquator, mit einem Bein auf der Südhalbkugel, mit dem anderen auf der Nordhalbkugel. Schön war’s!

ach ja, der Kehlmann. Gräm Dich nicht, lieber Bruder. Er hat keine Biographie geschrieben, sondern einen leichtfüßigen, trotzdem fundierten und sehr, sehr komischen Roman, man sagt, einen der besten Nachkriegsromane. Ich verehre Kehlmann sehr! Wie er schreibt. Er bringt einem diese beiden merkwürdigen Typen nah, und vor allem das, was sie geleistet haben. Es ist lange her, dass ich das Buch gelesen habe. Kern ist ja der Vergleich zwischen diesen beiden unglaublichen Forschern. Beide sind angetrieben davon, die Welt zu erkunden, der eine, ein wohl betuchter Preuße durch und durch, muss dazu reisen, wie ein Getriebener, der andere, ein armes Kind aus einfachen Verhältnissen, bleibt an seinem Schreibtisch hocken. Bei Gauß spielt sich alles im Kopf ab, was es zu entdecken gibt. Und der Trick, das Besondere bei Kehlmann ist ja gerade, wie er sie beschreibt. Große Forschergeister, aber: Keine Heroen. Denn die gibt’s einfach nicht. Eher schräge Typen. Sehr sehr menschlich. Und mit viel Komik. Aber er macht sich nicht lustig über sie. Und das macht es lesenswert. Der Schlüssel zu Humboldt liegt glaube ich in einem Ausspruch, den jemand in seiner Jugendzeit getätigt hat: So sinngemäß (habs nicht mehr so parat) wenn Dich etwas ängstigt, musst Du es untersuchen und erkunden und vermessen, dann verliert es seinen Schrecken. 
ich merke gerade, ich muss es noch mal lesen. (Ich empfehle auch Tyll, da hat er die Till-Eulenspiegel- Geschichte in den 30jährigen Krieg verlegt. )

Soviel für heute 

Grüße von der Ostsee

Hanne

2 Antworten auf „Auf den Spuren von Alexander v. Humboldt: Kommentar meiner Schwester Hanne

Add yours

  1. Liebe das Foto oben und die Personen darauf! ❤️

    Danke auch für eure Beiträge zu Alexander von Humboldt. Ich habe den Kehlmann Roman auch sehr gerne gelesen, sollte es vielleicht mal wieder tun. Mir ist natürlich klar, dass die Figuren
    mit viel kűnstlerischer Freiheit gezeichnet sind.

    Hanne, ich hoffe, du hast das Outfit noch, so weite Sachen sind wieder hochmodern!

    Liebe Grüße, Margrit

    Gefällt 1 Person

    1. Haha, ja, diese Klamotten- unglaublich, was man mal alles so getragen hat. Lukas hat das Foto zu einem Fake-Albumcover umgearbeitet. Ich kann es hier im Kommentar nicht anhängen. Ich schicke es mal rum, wenn ich es finde.
      Gruss Hanne

      Like

Hinterlasse eine Antwort zu Anonymous Antwort abbrechen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Erstelle eine Website oder ein Blog auf WordPress.com

Nach oben ↑