Deutschland braucht 400 000 Fachkräfte – pro Jahr oder: weder Kinder noch Inder

Und wo sollen 400 000 Fachkräfte herkommen?

(Eigentlich wollte ich hier in Südamerika die Zeit genießen ohne Politik. Sie juckt mich halt.  Immer wieder interessant, wie klein Probleme in D werden, wenn man von außen und aus dem Süden drauf schaut. Doch der Ökonom in mir kriegt vor lauter Ungläubigkeit, was da in meinem Lande diskutiert wird, das Maul nicht zu. Und will was los werden. Obwohls doch nichts nutzt.)

Es ist eine Wahrheit, die in der aktuellen Diskussion vollkommen ausgeblendet wird. Deutschland braucht nicht weniger sondern viel mehr Ausländer. Schon heute gibt es knapp 1,7 Millionen offene Stellen. Durch die Demografie werden in den nächsten zehn Jahren fünf Millionen Babyboomer mehr in Rente gehen, als junge Fachleute nachkommen.

Vor Jahren hat Röttgen, ein cdu Politiker, mal Kinder statt Inder gefordert. Anscheinend hatte der Mann das Problem des heraufziehenden Fachkräftemangels richtig erkannt. Und den falschen Schluss gezogen. Die Geburtenrate stieg nicht. Leider blieben auch die Inder (und andere Fachleute) aus. 

Was wir brauchen ist ein Anreizsystem das Aufenthalt- und Arbeitstitel mit auf Bedarf zugeschnittenen Aus- und Weiterbildungsbemühungen verbindet. 

(Für Jugendliche gibt’s das im Ansatz schon. Wer länger in D und in der Ausbildung ist, erhält eine Duldung. Ich befürchte allerdings, dass die Duldung danach vorbei ist. Genau das Gegenteil müsste nach meiner Vorstellung passieren: derjenige darf bleiben wenn er als Fachmann arbeitet). 

Zwei Gruppen von Ausländern können mit zugeschnittenen Strategien anvisiert werden und die Lücke schließen:

– Migranten/Asylanten die schon in D sind oder kommen

– Fachleute aus dem Ausland (und nicht nur Hochkaräter aus Indien)

Bei Letzterem sollten wir uns an Einwanderungsländern orientieren. Sie sortieren Bewerbungen nach eigener Nützlichkeit. Die dann eingereisten werden unterstützt und integriert in den Arbeitsmarkt. Doch Deutschland, seine Politiker und Bürokraten schleppen noch immer die Vorstellung mit herum, wir seien kein Einwanderungsland, wir hätten höchsten „Gastarbeiter“.  Entsprechend ist die Integrationspolitik in Deutschland unter aller Sau. 

Die Zeit (7.2.2025) schreibt: „OECD-Studien haben ergeben, dass Deutschland insbesondere bei hoch qualifizierten Fachkräften im Ausland kein attraktives Zielland ist….Aber Deutschland hat eine im internationalen Vergleich schlechte Willkommenskultur. Vor allem hoch qualifizierte Fachkräfte in Deutschland geben an, dass eine überbordende Bürokratie, Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche, Sprachbarrieren und eine geringe Offenheit Deutscher gegenüber Ausländerinnen und Ausländern vier konkrete und ungewöhnlich hohe Hürden für eine erfolgreiche Integration sind.“ Vielen dieser Fachleute ist das zu dumm, sie ziehen weiter. 

Deutschland hat nicht nur eine schlechte Willkommenskultur, es fehlt auch vorne und hinten an gezielten Maßnahmen, beginnend mit der hohen Hürde, ausländische Qualifikationen anzuerkennen (ist ja recht, unsere Facharbeiter Ausbildung ist gut und einmalig, doch in anderen Länder funktionieren viele Berufe auch). Ein Beispiel:

Ahmad, ein gestandener Familienvater aus Syrien, ist ausgebildeter Krankenpfleger. Mit Hochschulabschluss (in vielen Ländern werden soziale Berufe an Hochschulen gelehrt) und hat 20 Jahre Praxis vorzuweisen. Weil er „Regimegegner“ trotz Warnung behandelte, musste er mit seiner Familie über Nacht fliehen. Ohne Papiere. Die sind an seiner Universität geblieben. Die zuständige deutsche Behörde sieht sich nicht in der Lage, sie einzufordern. (Kein Wunder, hab gerade gelesen, dass 80% der Auslandsämter keine Internetverbindung haben. Kann’s kaum glauben. Tragen sie die Briefe noch selbst aus? Faxgeräte sind offenbar die letzte technische Errungenschaft). Ahmad ist heute Busfahrer und hilft uns ab und an im Garten.

Und warum nicht Migranten zu Facharbeitern ausbilden? Aber klar, dafür braucht es gezielt und viel Man- und Fraupower. Noch ein Beispiel:

Nega ist aus Eritrea, kam mit den ersten Flüchtlingen, seine Frau war in meinem Dorf untergebracht, deshalb kannten wir ihn. Er ist nett, lacht immer ein wenig und wollte Facharbeiter werden. Eine Stelle als Hilfsarbeiter in einem größeren Betriebe in Biedenkopf hatte er. Siehe da, der Betrieb ließ sich auf das Experiment ein. Er wurde Lehrling (ich weiß, ich weiß, heute heißt das anders, Auszubildender glaube ich). Nur dass Nega kaum Schulkenntnisse hatte. Und Deutsch gerade lernte. Fachsprache ist nochmals anders. Um ihn rum bildete sich ein Hilfs-Netzwerk. Manfred, Ex-Berufsschullehrer, gab drei mal pro Woche Fach-Nachhilfe, M Sprache intensiv, andere unterstützen ebenso. Er biss sich durch und hat nach drei Jahren seine Prüfung bestanden. Seit Jahren ist er nun Facharbeiter, hat eine große Familie und lächelt immer noch schüchtern. Natürlich ist das ein Sonderfall. Aber genau diese skizzierten Zusatzkenntnisse müssten institutionalisiert vermittelt werden. Was ist die Wirklichkeit? Die jungen Leute dürfen erstmal nicht arbeiten. Kann mir einer mal erklären warum? Fördern und Fordern sollten wir.

Noch ne schöne Geschichte zu unserem Freund mit dem eigenartigen Namen. M war mit ihm bei Aldi einkaufen. Sie stehen in der Schlange an der Kasse, Nega geht zurück, hat was vergessen, M kommt dran, will ihn rufen – und schreckt zurück, laut „Nega“ zu rufen.

Diese Deutschtümelei um den Begriff „Einwanderungsland“ ist auch noch unhistorisch. Im letzten Drittel des 18. Jhdts (ab 1870 etwa) hat der riesige Arbeitskräftebedarf im Bergbau und der Verhüttungsindustrie des Ruhrgebietes zu einer kleinen Völkerwanderung aus Polen und Ostpreußen geführt. Arbeitskräfte wurden gebraucht, Arbeitskräfte wurden geholt. So einfach. Freilich werden heute nur noch bedingt Hilfskräfte benötigt. Deshalb, siehe oben, sind Zusatzmaßnahmen nötig. Was es braucht ist eine Regierung mit Willen, den Dschungel an Verhinderungsparagrafen auszumisten und Schneisen zu schlagen in die Richtung, die wir brauchen. Nämlich 400 000 Fachkräfte pro Jahr. 

  • Zielgerichtet fahnden nach Qualifikationen der (zumeist) jungen Leute
  • Zielgerichtet Aus- bzw. Weiterbilden 
  • Integration in die Arbeitswelt mit Bleiberecht verbinden
  • Insgesamt: Wer bei uns bleiben will , bekommt zügig eine Aufenthaltsbewilligung wenn er uns hilft, die Fachkräftelücke zu schließen. 
  • Geht nicht gibt’s nicht
  • Wer fördert kann auch fordern

Bergis hat in seinem Blog genauer geschildert, wie Ausländer schon immer unabdingbar waren für unsere Wirtschaft. Und integriert wurden Hier: https://schmidtehry.com/2025/02/02/die-verdrehte-erzaehlung-von-der-migration

Unsere Zukunft

Tja, und das sind noch die Kinder. Sie schauen demnächst gleich doppelt bescheuert aus der Wäsche. Die globale Erwärmung wird sie treffen und die Reduzierung des Wohlstandes allein deshalb, weil Migranten und Ausländer nicht in den Arbeitsmarkt integriert sondern vergrault werden. Oder glaubt jemand, da würde sich was ändern?

3 Antworten auf „Deutschland braucht 400 000 Fachkräfte – pro Jahr oder: weder Kinder noch Inder

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  1. Tja, lieber Reinhold, aber wie sagte schon Einstein: “ Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die Dummheit der Menschen – bei zweiterem bin ich mir sicher!“

    Etwa 30% der Menschen, die in Deutschland leben, haben einen Migrations-Hintergrund (wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde). Das ist eine recht enge Definition. Wenn wir die Immigration auch der vergangenen Jahrhunderte berücksichtigen, haben wohl auch noch sehr viel „Bio-Deutsche“ migrantische Herkunft. Meines Wissens habe ich unter anderem französiche und ungarische Vorfahren.

    Danke für Deine Beitrag!

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  2. Tja, lieber Reinhold, aber wie sagte schon Einstein: “ Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die Dummheit der Menschen – bei zweiterem bin ich mir sicher!“

    Etwa 30% der Menschen, die in Deutschland leben, haben einen Migrations-Hintergrund (wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde). Das ist eine recht enge Definition. Wenn wir die Immigration auch der vergangenen Jahrhunderte berücksichtigen, haben wohl auch noch sehr viel „Bio-Deutsche“ migrantische Herkunft. Meines Wissens habe ich unter anderem französiche und ungarische Vorfahren.

    Danke für Deine Beitrag!

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  3. Einstein war nicht nur schlau, er war auch weise. Mir kommt die Welt mittlerweile verdreht vor. In vielen Bereichen. Leider und zunehmend gerade unsere Welt. Grüße an dich und Adda. Hier ist Sonne UND die meisten sind nett.

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