II Jugendzeit 1950-1958

II 2. Sodder foan

Zum Spielen hatte ich wenig Zeit. Unsere kleine Landwirtschaft brauchte jede Hilfe. Vater und Großvater arbeiteten tagsüber und iIch musste Mist fahren und Jauche und den Stall säubern, bei Aussaat und bei der Ernte helfen. Ein Mal war es so kalt beim Kartoffel Ausmachen dass mir die Finger abstarben. Die Erde war vom Regen durchtränkt und eisig und die Kartoffeln waren faul. Es stank und fühlte sich an nach kalter Verwesung. Ich habe geweint.

Als Junge hatte ich immer kurze Lederhosen an mit breiten Hosenträgern. Diese Hose zog man so lange an, bis man herausgewachsen war. Entsprechend speckig war das Leder aber es war robust und so schnell ging kein Loch hinein und wenn was vom Essen drauf fiel, war das nicht schlimm. Vorne hatte die Hose eine Klappe, die wurde mit 2 Knöpfen aufgemacht. Die Klappe fiel dann runter und das Pinkeln ging einfach. Bis spät in den Herbst mussten wir die Hose tragen aber wenn es kalt wurde mit selbst gestrickten langen Wollstrümpfen, die fürchterlich kratzten. Die Strümpfe wurden oben an einem Leibchen befestigt, das unter der Hose getragen wurde und dessen lange Strapse unten rausguckten und zwischen Hose und Strumpf immer einen Rand vom nackten Bein frei ließ. Da fror man dann.

Eine meiner Aufgaben im Frühjahr war Sodder foan. Unter dem Klo war eine Grube und in die fiel alles, was man im Klo hinterließ.

Das vergor dann in der Jauchegrube im Winter und im Frühjahr musste dieser Sodder auf die Felder gefahren werden. Auf den Unterbau unseres großen Wagens kam ein Fass und das wurde an den Rand der Grube geschoben. Mit einer Dachrinne die vorne abgebogen war, wurde der Ausfluss der Schlegelpumpe und der Einlass vom Fass verbunden und dann hieß es pumpen. Es war nicht einfach, den Brei da raus und in das Fass zu kriegen und zum Runterdrücken des Schlegels brauchte ich immer beide Arme. Manchmal haben mir die Oma oder der Opa geholfen weil meine Arme noch zu schwach waren. Wenn das Fass voll war musste man schwer aufpassen dass es nicht überlief, denn das stank ziemlich und ich konnte mich nicht drauf setzen.

Danach wurden die Kühe eingespannt. Liese und Lotte trotteten träge dahin, wenn sie arbeiten sollten. Nur auf der Rückfahrt, wenn sie den Stall rochen, da wurden sie schnell.Kühe sind schwerfällige Tiere und sie geben meist nichts auf das Hüh (rechtsrum) und das Hott (linksrum) auch wenn man es laut brüllt. Kühe sind zum Wagen und Pflug Ziehen nicht gut geeignet, d Aber wir armen Bauern konnten uns keine Pferde leisten und deshalb mussten die Kühe ran. Sie gaben dann weniger Milch. We Eine Peitsche hatte ich auch, aber die war mehr zum Knallen. Das nutzte eh nichts, die Tiere gingen ihren Trott und wenn es ihnen zu viel wurde, blieben sie auch mal stehen.

Bis zur Fottbach ging es bergab, da durfte ich auf dem Fass sitzen. Vom Opa hatte ich es gelernt, das Jauche fahren und er schaute immer hinter her und kontrollierte. Weil drüben die Hardt hoch, da ging es steil und da hatten die Kühe viel zu tun. Da war ich oben drauf eine Last zu viel. Und außerdem hatte Opa Angst, ich könnte runterfallen und unter die großen eisenbeschlagenen Holzräder geraten.. Ich aber fuhr so gerne oben auf! Dann fühlte ich mich als Cowboy oder Truck-Fahrer nach Chatanooga und weit weg von meinem Dorf.

Es ging langsam den Berg hoch, sehr langsam. Viel zu langsam für mich. Die Zeit verging mit Sodder foan und ich hätte lieber gelesen. Oder mit den anderen Jungens im Wald gespielt. Die hatten da ein Häuschen. Der Vater war auf der Arbeit den ganzen Tag und mauerte Herde aus und Opa war Gärtner.

Zeitungsbild: Frau aus Hommertshausen 1936. Könnte Oma sein

Viel musste die Oma machen. Mutter war für den Haushalt zuständig und wenn sie fertig war, ging sie mit auf den Acker. Die Landwirtschaft war nicht groß genug, dass sie uns ernähren konnte,

Auf dem Feld war gute, koordinierte Technik wichtig. Zuerst wurden Kühe und Wagen so auf den Acker gestellt, dass der Sodder auch dahin fiel, wo er hin sollte. Dann musste es schnell gehen. Hinten aus dem Fass kam ein Rohr, darüber war ein Schieber und darunter hing ein Schaufelblatt. Wenn man den Schwenkhebel aufzog, platschte der Sodder auf das Blatt, spritze auseinander im hohen halbkreisförmigen Bogen wie eine gelblich, durchschimmernde Wand und tränkte das Feld. Das war die erste Hürde. Der Schieber musste ganz aufgezogen werden und gleichzeitig musste man einen Satz nach links tun damit man nicht von dem Strahl getroffen wurde. Das Zeug stank, dass es einem den Atem nahm. . Aber jetzt musste der Wagen anfangen zu fahren, sonst schoss der ganze Inhalt auf eine Stelle. Die Peitsche schwingend und laut brüllend kam ich über die Kühe damit sie ihren fetten Arsch in Bewegung setzten. Und dann ging es den Acker hoch und wenn das Fass leer war, gings heim. Ein bisschen Sodder floss noch aus, die Klappe wurde zu gemacht, die dreckige Hand an der Hose abgewischt und dann kam der Moment, wo ich mich draufsetzte, beide Beine links und rechts vom Fass runter gehängt und von oben die Welt betrachtete und der letzte Cowboy aus H. war.

Später hatten wir einen Traktor. Da ging’s einfacher. Hier fährt ihn meine Schweste

2 Kommentare zu „II Jugendzeit 1950-1958

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  1. Lieber Reinhold,
    die Mühen der Landwirtschaft stehen auch mir noch vor Augen und damit so manche schwere Stunde auf dem Feld, Grünzeug holen, Heu einfahren, Kartoffeln lesen, beim Pflügen helfen und natürlich permanent Misten. Im Sommer, wenn meine Klassenkameraden im Schwimmbad abhingen, war es besonders hart. Wir konnten uns fast gänzlich von unserer nebenerweblichen Land- und Gartenwirtschaft ernähren (bis auf das subvensionierte Brot). Und irgendwie war es bei meinem Vater wohl auch ein ideologisches Bedürfnis, dem zutiefst verachteten sozialistischen Plan- und Mangelwesen etwas Eigeninitiative entgegen zu setzen. Zu Essen hatten wir also genug, auch Geld für ein Auto, Fernseher, Zigaretten …. aber keine Chance im System und niemals Urlaub! Letzteres konnte ich zum Glück später nachholen. Und noch etwas war in unserer Familie anders: es gab Humor. Wenn ich mit dem Pferdegespann Stroh und Heu selber geladen hatte und auf unserer Ranch vor fuhr, rief er immer: „Da kommt ja der Kutscher ohne Sack! “
    Ist das nicht ein großartiges Kompliment für ein kleines Mädchen?!
    LG ELke

    1. Mann oh Mann (oder Frau oh Frau, wie man heute sagt), das ist wirklich ein beispielhaftes Kompliment für ein kleines Mädchen. So müssen Väter sein: knochenhart die Einsichten auf den Punkt gebracht. Das bildet! Ansonsten war eure Landwirtschaft offenbar größer als unser Nebenerwerb-kleiner-Hof. Und du weisst genau, von was ich schreibe. Danke Elke für deine Einsicht. Ich dachte immer, Selbstversorgung sei bei den knochenharten Kommunisten nicht angesagt gewesen. (sie hatten alle ihren Marx nicht richtig gelesen, diese Analphabeten). Dein Kommentar ist im Spam gelandet, hab ihn erst heute gerettet. Vielleicht wegen des nicht ganz jugendfreien Komplimentes deines Vaters?

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